Sportphänomene (38): Pressekonferenz

Weiter hart arbeiten

Es war ein liebgewonnenes Ritual an fast jedem Donnerstagnachmittag. Da gab Sportredakteurs-Kollege Hansjörg Lösel immer ein paar Zischlaute von sich und bat für fünf Minuten um Stille. Denn: „Bruno spricht!“ Da wurde im Internet tatsächlich jede Woche die Pressekonferenz von Lösels favorisiertem Fußballklub Hamburger SV übertragen, auf der dessen Trainer Bruno Labbadia vor jedem Spiel kundtat, dass es schwer werden würde, die Mannschaft aber gut vorbereitet sei und möglichst viele Punkte holen wolle.

13.10.2016

Von Tobias Zug

Journalisten fragen, Igor Perovic antwortet: Der ehemalige Tigers-Basketball-Trainer bei einer Pressekonferenz. Archivbild: Ulmer

Journalisten fragen, Igor Perovic antwortet: Der ehemalige Tigers-Basketball-Trainer bei einer Pressekonferenz. Archivbild: Ulmer

Pressekonferenzen: Kaum ein ambitionierter Sportklub oder Leistungssportler kommt mehr ohne sie aus. Bei den Basketballern der Tübinger Tigers kommen nach Heimspielen die paar Medienvertreter in einen kleinen Raum in der Paul-Horn-Halle, wo die beiden Trainer der zwei Teams rumstehen und Fragen zum Spiel beantworten. Für Tiefgründigeres bleibt kaum Zeit und Raum, deshalb kommen da nicht mehr als ein paar allgemeingültige Phrasen raus. Im Repertoire eines jeden Basketballers, weil auch zu fast jeder Frage passend, ist der Satz: „Wir müssen weiter hart arbeiten!“

Wie die Schmeißfliegen

Besonders zu Zweitligazeiten der Fußballer des SSV Reutlingen bot sich bei den Pressekonferenzen deshalb immer ein bizarres Bild: Da stellte SSV-Faktotum Wolfgang Gattiker als Pressekonferenz-Moderator den beiden Trainern ein paar Fragen zum vorangegangenen Kick. Danach durften die zuschauenden Journalisten fragen, was diese meist eher zögerlich taten – um sich nach Gattikers Dankes- und Schlussworten wie die Schmeißfliegen auf die Trainer zu stürzen, um exklusiv etwas Knackigeres und Aussagekräftigeres aus diesen rauszuquetschen.

Zuschauer sind von diesen Veranstaltungen ausgeschlossen. Meistens. Die Tübinger Tigers hatten eine zeitlang ihre Pressekonferenzen nach Heimspielen oben auf der VIP-Tribüne abgehalten, auch der damalige Handball-Bundesligist TV Neuhausen organisierte bei seinen Heimspielen in Tübingen mal eine PK oben auf der Tribünenseite. Mit dem Effekt, dass die eigentlich nur zuhörenden und fragenden Journalisten plötzlich von umherstehenden Schaulustigen begafft wurden, Fragen und Antworten von ein paar Bierseligen kommentiert wurden.

Volleyball-Bundesligist TV Rottenburg verzichtet übrigens auf die organisierte Frage-Antwort-Runde. Wer was wissen will, kann ja die Trainer und Spieler nach der Partie selbst anquatschen. Sie laufen eine Ehrenrunde, klatschen jeden ab, der ihnen an der Balustrade die Hände entgegengestreckt, sind lange auf dem Feld und später oben auf der Tribüne. Ein Klub zum Anfassen.

Sowieso haben Pressekonferenzen im Vergleich zu früher an Humor und Schärfe verloren, vor allem je mehr Geld und Professionalität im Spiel ist. Die Antworten der Befragten gehen selten über das Erwartbare hinaus. Auch, weil manche der Sportjournalisten schon (zu) gut mit Klub und Trainern verbandelt sind. Bei den Tigers brachte einer sogar mal wie zum Kaffeekränzchen Brezeln und mal einen Hefezopf mit zur obligatorischen Pressekonferenz vor den Heimspielen.

Was waren das noch Zeiten bei Ernst Happel! Dem einstigen Fußball-Meistertrainer des Hamburger SV waren Pressekonferenzen eh ein Graus. Der Österreicher sprach da wenig, grantelte etwas und watschte im Sommer einmal Journalisten schön ab mit den Worten: „Haut’s eich in Schnee!“ Und im Winter: „Haut’s eich in Koks!“ Beim Hamburger SV spricht kein Happel mehr. Der Bruno auch nicht. Heute Mittag wird dem Markus (Gisdol) gelauscht. Oder auch nicht.

Zum Artikel

Erstellt:
13.10.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 21sec
zuletzt aktualisiert: 13.10.2016, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!