Wellnessoase im Internet

Langweilige Katzenfotos, Unmengen an wackeliger Naturfotografie und Witze, die eigentlich nicht lustig sind. Dazu noch Hass und Verschwörungstheorien. Solche Inhalte gibt es in Gruppen auf Facebook an jeder Ecke. Ein wirklicher Goldschatz ist dagegen die Gruppe „Horber Stadtgeflüster“, in der Gruppenmitglieder nicht nur zivilisiert diskutieren, sondern jeden Tag zeigen, wie viel Kreativität in den Horbern steckt.

Vincente López hat die Gruppe im September 2017 gegründet. Der 48-jährige Personaldisponent wollte ein Kontrastprogramm zu anderen Horber Facebookgruppen schaffen, eine Gemeinschaft, in der man sich alles gegenseitig „flüstern“ kann. Eine „geistige Wellnessoase“ schaffen, war sein Ziel, meint er im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE. Einen Ort, wo man nach der Arbeit entspannen kann, wo es harmonisch und ordentlich zugeht. Seit Anfang dieses Jahres gehört auch Lukas Wojcik zum Administratorenteam. Die beiden lernten sich über das Internet kennen, doch der 35-jährige Servicefahrer beschreibt ihre Freundschaft als „Liebe auf den ersten Blick“.

Durch sein Engagement in der Gruppe wurde Vincente auf ihn aufmerksam und ernannte ihn später zum Administrator. Nun planen die beiden schon ihre goldene Hochzeit: „Es passt einfach, wir sind fast schon wie ein altes Ehepaar, wir sprechen alles ab und kommunizieren offen und ehrlich. Das ist auch der Grund, warum wir den Laden am Laufen halten.“

2408 Mitglieder zählt die Gruppe derzeit, die Zahl steigt täglich. Durch ihre Aktionen versuchen die beiden Horber Influencer, ihre Mitglieder bei Laune zu halten. Jeden Freitag präsentiert López ein neues Titelbild, also das Bild, welches man auf der Startseite der Gruppe sieht. Dieses wird aus den Einsendungen der Gruppenmitglieder ausgewählt. Eine Verabschiedung ins Wochenende quasi. Wojcik kümmert sich am Wochenanfang um den Montagsspruch, ein motivierendes Statement untermalt mit einem schönen Bild, zum Start in die Woche. Und weil er selbst Musik macht, gibt’s häufig auch was auf die Ohren.

Vergangenen Monat haben die beiden ihr erstes Herbstgewinnspiel auf die Beine gestellt. Dafür konnten alle ihre schönsten Herbstbilder posten und die drei Bilder mit den meisten „Gefällt mir“-Klicks bekamen Gutscheine von Horber Unternehmen.

Generell animieren sie auch immer wieder Horber Gastronomen und Einzelhändler, regelmäßig ihre Angebote in der Gruppe zu teilen. „Wir wollen, dass Horb floriert“, sagt Wojcik. Ansonsten darf natürlich jedes Mitglied eigene Bilder posten, beziehungsweise „flüstern“, solange sie respektvoll sind.

Einfluss ins Tagesgeschehen

Die Altersklassen sind durch alle Reihen hinweg vertreten. Sowohl junge Leute als auch ein 80-jähriger Rentner, dessen Teilnahme die beiden mit besonderem Stolz erfüllt, sind in der Gruppe vertreten. Im Durchschnitt ist ein Mitglied 35 bis 45 Jahre alt.

Wie viel Einfluss die Gruppe mittlerweile im Horber Tagesgeschehen hat, lässt sich gut an einem Ereignis vor wenigen Tagen erkennen, als ein Bild von gehäuften Müllsäcken am Horber Festplatz in die Gruppe „geflüstert“ wurde. Dort residiert derzeit eine Gruppe Roma (Die SÜDWESTPRESSE berichtete). Der Beitrag bekam zahlreiche Kommentare, an denen sich auch Kommunalpolitiker beteiligten. In einem anderen Post beziehen sich die Flüsterer auf das Thema Leuco-Areal, mit der Frage, was sich die Horber an diesem Platz wünschen. „Vielleicht spickelt das Rathaus mal auf unsere Seite und sieht, was die Horber wollen“, meint López mit einem Augenzwinkern. „Die Leute hauen eher in die Tasten, als es zu sagen, dadurch sind sie ehrlicher“, fügt Wojcik hinzu.

Umgang mit Hass

Beim Thema Ehrlichkeit sei es manchmal jedoch schwierig, abzugrenzen, andere dabei nicht zu beleidigen. Auf ihrer Seite wollen sie konstruktive Diskussionen führen und keine inhaltslosen Beschwerden hören. Die beiden Administratoren setzen sich aktiv dafür ein, dass die Gruppe ein positiver Ort zum Entspannen bleibt. Störenfriede werden in einer Privatnachricht auf ihr Verhalten aufmerksam gemacht und aufgefordert, ihre Kommentare zu löschen oder richtigzustellen.

Bei der jüngsten Diskussion zum Camp der Roma-Gruppe war es besonders López wichtig, dass alle richtig informiert sind. Darum hat er selbst bei der Stadtverwaltung angerufen, sich informiert und in der Facebook-Gruppe aufgeklärt.

Wenn die Diskussionen in den Kommentaren dann doch einmal aus dem Ruder laufen, dann wird die Kommentarfunktion gesperrt. Das ist vor allem bei einem Thema immer wieder der Fall gewesen: Corona. Im Frühjahr haben sie regelmäßig die Posts vom Landratsamt geteilt, doch im Sommer haben sie das Thema von der Seite verbannt. Zu oft seien die Kommentare ausfällig geworden und Verschwörungsgläubige hätten sich in den Kommentaren getummelt. „Das Thema Corona ist im Internet nicht zu diskutieren“, sagt López mit klarer Meinung.

Die Arbeit als Administrator einer Gruppe ist also ziemlich umfangreich. Für die beiden ist es aber ein leidenschaftliches Hobby. „Es ist fast schon Meditation, wenn ich montags in Büchern oder im Internet nach schönen Sprüchen stöbere“, schwärmt Wojcik.

Mittwochs planen die beiden regelmäßig weitere Themen zu behandeln, zum Beispiel historisches oder Gedankenspiele für die Zukunft Horbs. Gerade haben die beiden eine Aktion gestartet, bei der Mitglieder möglichst alle Kirchen im Horber Stadtgebiet fotografieren und in die Gruppe stellen. Die beiden würden gerne auch mal ein Treffen für ihre Flüsterer organisieren. Vielleicht einen Karaoke-Abend auf dem Rauschbart, sofern das wieder möglich sei. Die Mitgliederzahlen und Beteiligung in der Gruppe zeigen, dass einige Leute sicherlich teilnehmen würden.