Treffen alter Weggefährten – ein Fußball-Talk

Weltmeister-Co-Trainer „Hansi“ Flick erzählt wenig Neues, kommt mit seiner Art aber gut an

Erol Türkoglu stürmte nach der Veranstaltung nach vorne zu Flick. Der frühere Trainer des FC Rottenburg – inzwischen beim TSV Dettingen/Erms – und Flick kennen sich noch aus gemeinsamen Oberliga-Zeiten

05.04.2017

Von Vincent Meissner

Mitte der 1990er-Jahre. Türkoglu spielte bei Pfullendorf, Flick war in Nordbaden bei Bammental. Auf seinem Smartphone hatte Türkoglu einen abfotografierten Zeitungsartikel mit Bild eines Spiels aus dieser Zeit dabei. „Damals wollte er mich nach Bammental holen“, erzählt Türkoglu. Doch er blieb lieber in Pfullendorf. Dass er den einstigen Weggefährten jetzt wieder mal traf, freute Türkoglu. Und Flicks Auftritt in Reutlingen hatte ihm gut gefallen: „Er ist authentisch, greifbar“, sagte Türkoglu. „Eben so, wie er als Fußballer und Trainer auch war.“

Türkoglu war nicht der Einzige bei der Veranstaltung in Reutlingen, den Flick aus seiner Karriere persönlich kennt: Mit Peter Starzmann, einst beim SSV Reutlingen in der Regionalliga und inzwischen in der Bezirksliga in Sickenhausen als Trainer, erinnerte sich zu Beginn der Veranstaltung an ein Spiel in der Saison 1996/97 zwischen dem von Starzmann trainierten SV Bonlanden und Flicks Bammental in der Oberliga. Damals war gerade die Rückpassregel eingeführt worden. Starzmann berichtete von einem indirekten Freistoß zum 1:0 für Bonlanden. Wie Flick das Spiel in Erinnerung hat, erzählt er im Video.

Die unprätentiöse Art kommt an

Was als Vortrag unter dem Motto „Zehn Regeln für Teamerfolg in Beruf und Sport. Oder: Der Weg zum Weltmeister“ angekündigt war, wurde am Montagabend dann zu einem Interview, das Kurt Schuschu aus dem Vorstand des Mitveranstalters „Deutsche Vermögensberatung“ mit Flick führte. Knapp 500 Zuhörer waren gekommen, um den früheren Co-Bundestrainer von Joachim Löw und späteren DFB-Sportdirektor zu hören, der als Spieler mit Bayern München vier Mal Deutscher Meister und ein Mal Pokalsieger wurde und später noch beim 1. FC Köln in der Bundesliga spielte.

War auch bei den Kickern des SSV Reutlingen als Fotomotiv gefragt: der frühere Co-Bundestrainer und Sportdirektor beim Deutschen Fußball-Bund Hans-Dieter Flick (52), der am Montag in Reutlingen vor knapp 500 Zuhören sprach. Bild: Baur

War auch bei den Kickern des SSV Reutlingen als Fotomotiv gefragt: der frühere Co-Bundestrainer und Sportdirektor beim Deutschen Fußball-Bund Hans-Dieter Flick (52), der am Montag in Reutlingen vor knapp 500 Zuhören sprach. Bild: Baur

Flick beantwortete etwa eine Stunde lang die Fragen von Schuschu zu Thesen wie „Setz‘ dir eindeutige Ziele“, „Lerne dich selbst zu motivieren“, „Pflege Rituale“, Denke positiv“ oder „Feiere Erfolge richtig“. Dabei plauderte er vor allem über seine Zeit mit der deutschen Nationalmannschaft und als Sportdirektor. Allerdings blieb Flick häufig im Vagen. Der 52-Jährige ist eben keiner, der einen Spruch nach dem anderen raushaut. Dennoch ist Flick, den die meisten nur „Hansi“ nennen, einer, der mit seiner unprätentiösen Art gut ankommt bei den Leuten.

Und obwohl die Weltmeisterschaft 2014 auch schon wieder fast drei Jahre her ist und die meisten Details ausführlich beleuchtet sind, jede Geschichte mehrmals erzählt, fasziniert es die Zuhörer, wenn dann einer erzählt, der hautnah dabei war. Wenn Flick noch mal die Worte von Joachim Löw wiederholt, die er vor dessen Einwechslung im WM-Finale zum späteren Siegtorschützen Marion Götze sagte „Zeig‘ heute der Welt, dass du besser bist als Messi“, dann hat das noch mal eine andere Wirkung, als wenn es irgendwo geschrieben steht.

Die Klugscheißer-WG in Brasilien

Und ein paar Mal überraschte Flick sogar mit launigen Anekdoten, etwa der zu den Spieler-Wohngemeinschaften bei der WM in Brasilien, wo in Campo Bahia Philipp Lahm, Thomas Müller, Mats Hummels, Christoph Kramer und Erik Durm zusammenwohnten. Im Mannschaftskreis sprach man laut Flick nur von der „Klugscheißer-WG“. Oder als Flick beim Thema „Jeder Einzelne ist wichtig“ von der undankbaren Aufgabe berichtete, Per Mertesacker mitzuteilen, dass er nicht mehr von Anfang an spielen würde. Der wusste nach wenigen Augenblicken, was Sache ist. „Und er hat dann gesagt, du brauchst gar nicht weiterreden, wenn du mich brauchst, bin ich da.“

Keine Gedanken um die Zukunft

Auch sein klares Bekenntnis, was die Halbfinal-Niederlage bei der Europameisterschaft 2012 angeht, beeindruckte: „Wir haben gegen Italien eine schlechte Taktik gehabt“, sagte er. „Unser Matchplan ist nicht aufgegangen.“ Löw und Flick orientierten sich damals stark am Gegner. „Dadurch haben wir uns die eigene Stärke genommen.“

Seit seinem Rücktritt im Januar genießt Flick sein Privatleben: „Ich kümmere mich um die Familie“, sagt er. Vor fünf Wochen kam sein zweites Enkelkind zur Welt. Wie es beruflich weitergeht, ist noch offen: „Da mache ich mir noch keine Gedanken“, sagt Flick.

Sponsorensuche für den SSV Reutlingen

Eine erlesene Runde der lokalen Fußballszene war da am Montagabend in Reutlingen in den Räumen der Baufirma Heinrich Schmid zusammengekommen. Trainer wie Zizino Teixeira-Rebelo (TuS Metzingen), Peter Starzmann (TSV Sickenhausen), Erol Türkoglu (TSV Dettingen/Erms) und Markus Link (SV Wachendorf) – die meisten mit einer Vergangenheit beim SSV Reutlingen – lauschten den Worten des früheren Co-Bundestrainers, der auf Einladung seines Sponsors Deutschen Vermögensberatung (DVAG) sprach. Auch die komplette Oberliga-Mannschaft des SSV Reutlingen war da. Insgeheim ging es nämlich um sie: Jörg Wahlert, SSV-Vorstandsmitglied und Direktionsleiter beim größten SSV-Großsponsor DVAG, hatte die Idee, Flick nach Reutlingen zu holen, um so Sponsoren für den SSV zu akquirieren. In den kommenden drei Monaten muss noch einiges an Sponsorengeldern zusammenkommen, sagt Wahlert. „Sonst müssen wir die Strukturen für die Oberliga abbauen.“