Bosch Rexroth

Wenn Arbeit krank macht

Nachdem sich Arbeitnehmervertreter und Werksleitung auf einen Spar-Fahrplan geeinigt hatten, wurde es ruhig um Horbs größten Arbeitgeber. Doch Einblicke in das Innere des Unternehmens zeichnen ein unschönes Bild.

21.12.2016

Von Benjamin Breitmaier

Die Zukunft bleibt ungewiss: Viele Mitarbeiter fühlen sich bei Bosch Rexroth nicht mehr wohl.Bild: Kuball

Die Zukunft bleibt ungewiss: Viele Mitarbeiter fühlen sich bei Bosch Rexroth nicht mehr wohl.Bild: Kuball

Die Schreckensmeldungen um den größten Arbeitgeber der Neckarstadt wurden nach dem turbulenten Jahr 2015 weniger. Doch die massiven Sparmaßnahmen bei Bosch Rexroth nagen an den Nerven der verbleibenden Belegschaft. Mitarbeiter berichten von psychischem Druck und Überwachung. Der Stellenabbau liegt derweil über dem Plan, viele verließen freiwillig den Standort.

Mehr als ein Jahr ist es her. Nach Monaten des Zitterns und dem permanenten Gefühl der Ungewissheit sprach die Unternehmensführung von Bosch Rexroth Klartext, was die geplanten Massiv-Sparmaßnahmen für den Standort Horb bedeuten: 195 Stellen sollten abgebaut werden. Bis Ende 2018 müssten 46 Millionen Euro weniger ausgegeben werden. Nach anfänglichen Streitereien zwischen Arbeitnehmervertretern und Unternehmensführung einigte man sich auf einen Plan, der auch Vorschläge des Betriebsrats mit einbezog. Im September 2016 gab es gute Nachrichten. 25 Stellen weniger sollten abgebaut werden. Mehr als 120 Mitarbeiter hatten seit Anfang 2015 das Werk schon verlassen. Größtenteils sind sie an anderen Standorten – in Reutlingen oder Feuerbach – untergekommen.

Laut informierten Kreisen müssen heute noch etwa 20 indirekte Stellen abgebaut werden. Das Soll-Maß der direkten Stellen, also aus der Produktion, soll sogar übererfüllt worden sein. „Viele wollten am Ende sogar gehen“, erklärt ein Insider. Sparmaßnahmen von diesem Ausmaß hinterlassen bei der verbleibenden Belegschaft Narben. Oft wird der Druck, der von oben kommt, bis ganz nach unten weitergegeben. „Arbeite ich effizient genug?“, „Was ist, wenn ich einen Fehler mache?“ – Fragen wie diese belasten in vielen Abteilungen die verbleibenden Mitarbeiter. „Wir sind schon lange im Unternehmen, wir haben die Kurzarbeit mitgemacht, haben alles für das Unternehmen gegeben. Aber was jetzt passiert, das geht einfach nicht“, erklärt ein Mitarbeiter, der anonym bleiben will. „Viele Kollegen haben keine Motivation mehr“, erklärt der langjährige Bosch-Rexroth-Beschäftigte.

Konkret äußert sich der Druck in den Aussagen verschiedener Meister. Sie würden beispielsweise permanent Samstagsarbeit verlangen, ständig den Output erhöhen wollen und dabei immer wieder betonen, dass Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden. Das gehe so weit, dass sogar Toilettengänge gezählt werden. Andere Mitarbeiter berichten teilweise davon, dass Meister sogar schon kurz vor Schichtende Hände auf Sauberkeit kontrolliert hätten, um sicher zu gehen, dass der Toilettengang nach Feierabend passiert.

„Es herrscht regelrecht Paranoia, wenn man eine Störung bei sich hat“, bei jedem Fehler bekomme man Ärger, erklärt der Mitarbeiter. „Ich habe mich eigentlich immer wohl gefühlt in dem Unternehmen“, sagt er. „Ich frage mich wirklich, wie das noch weitergeht“. Viele seiner Kollegen wollen weg, sagt er. Denn die Frage bleibe offen, wann Horbs größter Arbeitgeber, mit immer noch 940 Stellen, in ruhigeres Fahrwasser kommt.

Derweil erfreut sich das Unternehmen einer soliden Auftragslage. Januar und Februar, seien ausgebucht, was die Produktion angehe. Die Aufträge könnten sogar nur bewerkstelligt werden, da die Teilauslagerung der A 10-Montage im türkischen Bursa bereits begonnen habe und weiter ausgebaut wird im kommenden Jahr. Hier sollen 20 000 Einheiten der Pumpe produziert werden. 30 000 Pumpen, der vom Arbeitgeber zur Verlagerung vorgesehenen 50 000 Einheiten werden weiterhin in Horb gefertigt „Mit den Mitarbeitern, die so wegfallen werden woanders Löcher gestopft“, heißt es von einem langjährigen Rexroth-Beschäftigten.

Momentan werden am Werk keine Leute mehr eingestellt, bis auf die Auszubildenden, die jedes Jahr ihre Lehre erfolgreich absolvieren. Für die bestehende Belegschaft erhöht sich weiterhin der Leistungsdruck. Das bestätigt auch der Mitarbeiter. Er fügt hinzu: „Ich halte das nicht mehr aus. Die Unsicherheit macht mich krank.“

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Erstellt:
21.12.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 21.12.2016, 01:00 Uhr

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