Bildung

Wenn die Kreidezeit endet

Bildung Die Lehrer des Martin-Gerbert-Gymnasiums drückten gestern die Schulbank. Workshops lieferten Ideen, neue Medien in den Unterricht einzubinden.

12.02.2019

Von Mathias Huckert

Lernvideos mit dem Tablet drehen: Lehrer Torsten Tok lernte mit seinen Kollegen in verschiedenen Workshops, wie sich neue Medienin den Unterrichtsalltag integrieren lassen.Bild: Mathias Huckert

Lernvideos mit dem Tablet drehen: Lehrer Torsten Tok lernte mit seinen Kollegen in verschiedenen Workshops, wie sich neue Medien
in den Unterrichtsalltag integrieren lassen.Bild: Mathias Huckert

Ein kurzer Handgriff an der Seite des Stativs, und Torsten Tok gelingt es, den Tablet-Computer umzuschwenken. Jetzt ist die Tischfläche im Fokus der Kamera – und der Lehrer kann mit dem Filmen beginnen. Entstehen soll ein Lehrvideo für die Schüler. Tok, der am Martin-Gerbert-Gymnasium in Horb Mathematik und Physik unterrichtet, kann sich schon vorstellen, wie er speziell am Tablet geschnittene Videos im Unterricht nutzen könnte: „Im Chemieunterricht wäre es etwa denkbar, den Aufbau eines Atoms in dieser Form darzustellen.“

Nicht nur um das reine Verstehen von Unterrichtsstoff geht es dabei – ein weiteres Ziel: Schüler sollen selbst irgendwann zu
Regisseuren ihrer eigenen Lernvideos werden. Um das zu erreichen, müssen am Martin-
Gerbert-Gymnasium erstmal die Lehrer den Umgang mit Tablets, Augmented Reality und Beamer-Projektion lernen.

Gleich fünf Referenten hatte Schulleiter Georg Neumann deshalb ingeladen, um das Kollegium in Sachen Digitalisierung auf den neuesten Stand zu bringen. Laut Neumann ist die Diskussion darüber, ob die Digitalisierung im Klassenzimmer wirklich sinnvoll ist, völlig überflüssig. „Für uns steht fest: Die Digitalisierung ist da. Unsere Aufgabe ist, den Nutzen dieser Entwicklungen zu verstehen und den Schülern einen verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Medien beizubringen“, so der Schulleiter des Martin-Gerbert-Gymnasiums.

Die Schule hatte bereits vor fast zwei Jahren begonnen, Tablets in den Unterricht zu integrieren – 40 Geräte hatte das Gymnasium in einem Pilotprojekt damals angeschafft. Die fanden bisher immer mal wieder Verwendung abhängig von der jeweiligen Lehrperson und dem Unterrichtsthema. Ganz neue Anregungen erhielten die Lehrer von den Referenten, die vom Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, vom Regierungspräsidium Karlsruhe und vom Kreismedienzentrum Freudenstadt kamen.

Wie Christian Fuchs, Multimediabeauftragter der Schule, erklärte, war es bis dahin ein längerer Weg: „Erstmal mussten wir gewährleisten, dass die technische Infrastruktur steht, und die Installation der Beamer in den Klassenräumen war auch entscheidend.“

Die Beamer haben für die Pädagogen einen entscheidenden Vorteil, wie Referent Hansjörg Stutz zusammenfasst. Es gehe darum, Zeit einzusparen, die von den Lehrern an anderer Stelle wieder genutzt werden kann: „Man kann sich damit frei bewegen im Klassenraum und reflektieren, wie der Unterricht weitergeht. Diesen Vorteil bietet etwa ein Whiteboard nicht. Das ist heute aber auch reine Geldverschwendung – die Technik ist heute längst viel weiter.“

Virtuelles und Reales verbinden

Auch die Einbindung von Augmented Reality, bei der mithilfe der Kamera des Tablets virtuelle Objekte in den tatsächlichen Raum projiziert werden, kann laut Referentin Stephanie Wössner dazu dienen, den Unterricht interessanter zu gestalten.

Etwa dann, wenn die Schüler auf den sechs Seiten eines Würfels eine Geschichte entstehen lassen und diese dann auf dem Bildschirm des Tablets zum Leben erwacht: „Diese Verbindung zwischen der Haptik eines realen Gegenstands und der virtuellen Darstellung ermöglicht ganz neue Formen der Unterrichtsvermittlung“, so Wössner. Für sie war es auch ein Anliegen, die neuen Medien in den Sprach- und Gesellschaftsfächern vorzustellen.

Das gleiche Ziel verfolgte ihr Kollege Michael Funk vom Kreismedienzentrum. Bei ihm lernten die Kollegen vom Martin-Gerbert-Gymnasium, wie sich kurze Comicstrips und Videotrailer am Tablet erstellen lassen – und wie diese sich dann ergänzend zum eigentlichen Unterrichtsstoff einbinden lassen. Deutschlehrer Stephan Oechsle, der seit 20 Jahren unterrichtet, stellte fest: „Wir verlassen damit das Kreidezeitalter“.

Das altbewährte Schreibwerkzeug soll laut Schulleiter Georg Neumann trotzdem nicht ganz aus den Klassenzimmern verschwinden. Auch der klassische „Tafelanschrieb“ biete noch Vorzüge, etwa dass man die Erklärung des Lernstoffes vom Anfang bis zum Ende nachverfolgen könnte. Ein Ziel sei, dass je nach Kursstufe mindestens einmal wöchentlich der Tablet-Computer in der Klasse zum Einsatz komme. Auch das Ausleihen der Geräte an Kollegen und Schüler, etwa bei umfangereicheren Unterrichtsprojekten, soll in Zukunft zum Alltag im Martin-Gerbert-Gymnasium werden. Deshalb hat die Schule bereits die doppelte Zahl an Geräten bestellt – und läutet so Stück für Stück das Ende der Kreidezeit ein.