Lausbub Sebastian und das ewig‘ Leben: Zum Kultfilm avancierte Komödie aus Oberbayern.

Wer früher stirbt, ist länger tot

Lausbub Sebastian und das ewig‘ Leben: Zum Kultfilm avancierte Komödie aus Oberbayern.

24.11.2015

Von che

Wer früher stirbt, ist länger tot

Dieser Film ist ein Phänomen: Eine halbe Million Zuschauer hat er bereits eingesammelt ? wohl 90 Prozent davon in Bayern, wo er auch in jeder Hinsicht beheimatet ist. Dennoch beginge ein schweres Unrecht, wer ihn als krachlederne Regionalposse abtun würde. Vielmehr ist dem jungen Regisseur Marcus H. Rosenmüller eine der smartesten deutschen Komödien der letzten Zeit gelungen, die feinem Humor näher steht als derben Scherzen.

Zunächst aber regiert der Psychoterror. Dem elfjährigen Sebastian wird von seinem älteren Bruder eingetrichtert, er sei schuld am Tod der Mutter, da sie ja bei seiner Geburt gestorben sei. Fortan ist es vorbei mit der unbeschwerten Jugend auf dem Bauernhof. Wechselweise packt den Buben das schlechte Gewissen gegenüber dem ewig melancholischen Vater und die nackte Angst vor härtester Bestrafung beim jüngsten Gericht. Nachdem alle Versuche, unsterblich zu werden (etwa à la Jimi Hendrix oder durch Weitergabe der Gene), fruchtlos geblieben sind, versucht er schließlich, den Schaden per Brautschau für den Vater wieder gut zu machen.

Die Geschichte, zugegeben, stünde auch einem Komödienstadl gut zu Gesicht, und tatsächlich lässt der Regisseur mitunter Elemente des Bauerntheaters in die Inszenierung fließen. Das mindert jedoch nicht die Trümpfe, mit denen der Film den Zuschauern fortwährend ins Herz sticht: Die absurden und makabren Situationen, die Sebastian mit seinen bauernschlauen Strategien der Seelennot-Bewältigung heraufbeschwört. Der unverkrampfte Ernst, mit der im komödiantischen Umfeld über den Tod debattiert wird. Die Lässigkeit, mit der Rosenmüller und sein prächtiger Hauptdarsteller Markus Krojer auch Erwachsene an dieser Kindheit zwischen Wunsch- und Alptraum teilhaben lassen. Der Glaube an das Gute, der allen Figuren angedeiht. Vor allem aber der magische Realismus, mit dem der Film aus der Perspektive seines Protagonisten auf das nicht gerade heile, aber doch irgendwie schrullig schöne Landleben blickt.

In einer besonders aparten Szene lässt Tollpatsch Sebastian eine sterbenskranke alte Frau in ihrem Rollbett aus Versehen einen steilen Abhang hinunterbrettern. Der derbe Klamauk gerinnt indes zu schierer Poesie, als sich die Greisin auf ihrer rasanten Fahrt in ihre Jugendzeit auf ein Motorrad zurück träumt und schließlich in einem Heuschober in den Armen ihres Liebhabers landet. So etwas sollte doch eigentlich auch Schwaben, Preußen und Friesen entzücken. Und vielleicht die hiesigen Jungfilmer ermutigen, sich wieder einmal an einem „Daheim sterben die Leut?? zu versuchen.