Gesundheit

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil

Die Katholische Erwachsenenbildung veranstalte im Real-Supermarkt Horb ein Einkaufscoaching unter der Leitung von Ernährungsprofi Sven Bach.

13.03.2018

Von Manuel Fuchs

Sven Bach erläutert, woran man gesunde, nachhaltig produzierte Produkte erkennt und sie preiswert kauft. Bilder: Kuball

Sven Bach erläutert, woran man gesunde, nachhaltig produzierte Produkte erkennt und sie preiswert kauft. Bilder: Kuball

in Dutzend Frauen und Männer drängeln sich um die Info-Theke des Horber Real-Supermarkts. Ihnen wird Sven Bach gleich erklären, wie man richtig einkauft. Unter den Wartenden auch Rosetta Akermann von der Katholischen Erwachsenenbildung: Sie hat Sven Bach schon oft als Referenten und Leiter von Kochkursen eingeladen. „Da kam unter den Teilnehmern die Frage auf, woran man denn im Laden gesunde, hochwertige Produkte erkenne. Viele, die heute hier sind, haben bereits mit Sven Bach gekocht.“

Am Rande der Runde schaut ein Gesicht aus dem Business-Anzug, das auch vom „Geschäftsleiter“-Schild hinter der Info-Theke lächelt: Bernd Kelpin wird ebenfalls mit Sven Bach durch „seinen“ Real-Markt laufen. Ist es nicht ein Risiko, einen anerkannten Produktkritiker im eigenen Geschäft einen Vortrag halten zu lassen? „Im Gegenteil! Wir machen das, weil gesunde Ernährung immer wichtiger wird. Wir haben nämlich auch sehr empfehlenswerte Produkte im Sortiment.“ Ihm, Kelin, sei an gut informierte Kunden gelegen, die bewusste Entscheidungen treffen. „Das macht zufrieden, und wir möchten, dass unsere Kunden zufrieden sind.“

Rundgang mit Sven Bach

„Sonnenblumen- und Maiskeimöl braucht kein Mensch“, konstatiert Bach beim ersten Halt am Öl-Regal. Inbesondere älteren Menschen mit einer Neigung zu Rheuma oder Arthrose rate er sogar davon ab. Gesünder seien kaltgepresste Walnuss-, Kürbiskern- und native Olivenöle, Kokosöl obendrein hitzebeständiger. Er zeigt auf ein Etikett mit der Aufschrift „Aus kontrolliertem Anbau“: reine Produktreklame. Verbindlich seien Bio-Siegel, entweder das deutsche Sechseck, oder das neuere EU-Siegel. Noch höhere Qualität garantiere die Demeter-Kennzeichnung.

Vorsicht sei bei Bio-Fertigprodukten wie Maultaschen geboten: Sie dürfen noch mit 30 Prozent Nicht-Bio-Zutaten immer noch das Bio-Siegel tragen. „Und welche teure Zutat bei Bio-Fleischmaultaschen wahrscheinlich nicht Bio ist, können Sie sich denken.“

Bei den Essigen weist Bach auf einen Balsamico hin mit einem besonders hohen Anteil an Traubenmost: 80 Prozent; normal seien nur etwas mehr als 20, der Rest werde dabei mit Weinessig und Wasser aufgefüllt. Dann brauche man Farbstoff für die braune Farbe, und für dessen Stabilität wiederum Zusatzstoffe. Also lieber gleich einen mit hohem Mostanteil kaufen.

Als nächstes zieht Bach ein Senfglas aus dem Regal und lobt: „Senfsaat, Branntweinessig, Wasser, Salz.“ Mehr brauche man für einen guten Senf nicht. „Je länger die Zutatenliste, desto kritischer sollte man ein Produkt betrachten.“ Häufig werde die teure Senfsaat durch Wasser, Verdickungsmittel und Aromen ersetzt. Ähnlich beim Meerrettich. Bach empfiehlt, eine Wurzel im Gefrierfach aufzubewahren und sie bei Bedarf im gefrorenen Zustand zu reiben. „Ein herrliches Aroma - und ein komplett natürliches Produkt!“

Bachs Tipp zu Trockenobst: schwefelfrei kaufen. Es gebe zwar keine belastbaren Studien, aber geschwefelte Früchte könnten im Zusammenhang mit Atemwegserkrankunen kritisch zu sehen sein.

Für die Bäckerei im Laden findet Bach wenig positive Worte. Die Anforderungen an ein „Immer frisch“-Angebot machten es unmöglich, einen Teig vernünftig gehen zu lassen. Im Ergebnis enthalten die Backwaren viele schwer verdauliche Kohlenhydrate.

„Gegen die Fischtheke kann ich überhaupt nichts sagen“, lobt er dann wieder. Sie habe alles, worauf es ankomme: Frische, Auswahl und gut ausgebildetes, hilfbereites Personal. Um die wachsenden und wechselnden Erkenntnisse über schwermetallbelastete Fische im Blick zu halten, nutzt er den „Fischratgeber“, eine Smartphone-App des WWF, die genau darüber aktuell informiert.

Auch an der Käsetheke findet Bach viel Positives: Käse sei zunächst einmal frei von Zusatzstoffen. Schwangere und gesundheitlich angeschlagene Menschen sollten Rohmilchsorten meiden, aber darüber hinaus gebe es wenig zu beachten. Auch hier helfe das Bio-Siegel bei der Orientierung. Die höheren Preise, die für so gekennzeichnete Produkte aufgerufen werden, kommentiert er so: „Erst eine Küche für 50000 Euro kaufen und dann den Kühlschrank möglichst billig vollmachen? Das ist nicht meins.“

Am Regal mit den Müsli-Produkten hält Bach inne, greift eine mit „Bio“ gekennzeichnete Packung, liest kurz und lässt ein „Eieieieiei...“ hören: Ja, Bio, im Prinzip gut. Trotzdem enthalte dieses Produkt mehr als 50 Prozent Zucker und obendrein noch Honig. Es schlage genauso auf die Hüften wie konventionelles Müsli dieser Geschmacksrichtung. Hier solle man keine falschen Hoffnungen in das Bio-Siegel setzen.

Angesichts der Vielzahl von Margarinen und verwandten Produkten macht Bach kurzen Prozess. Er brauche nur eine Bio-Butter und vielleicht ein Schmalz, um etwas heiß anbraten zu können. Fertig. Bei Joghurt, möglichst stichfestem, sei darauf zu achten, dass er weniger als 5 Gramm Kohlenhydrate pro 100 Gramm enthalte, andernfalls sei Milchpulver zugesetzt. Beim Kaffee gelten für Bach drei wesentliche Kriterien: Bio-Siegel, Fairtrade-Logo, und schmecken müsse er.

Die Eigenmarken des Real-Supermarkts verdienen sich im Lauf des Rundgangs viel Lob des Experten. Man solle sich von der einfachen Gestaltung der Verpackung nicht abschrecken lassen, erläutert er. „Die sehen so aus, damit nur der erklärte Sparfuchs zugreift und andere die teureren, aber nicht unbedingt besseren Produkte kaufen.“ Ein psychologischer Trick also ...

„Ich hoffe, Sie haben bei unserem Rundgang etwas mitgenommen“, beendet Bach nach gut anderthalb Stunden seine Ausführungen. Marktleiter Kelpin zuckt kurz. „Nein, nicht heimlich etwas eingesteckt, natürlich ...“ Der lautstarke Applaus seiner Gruppe bestätigt das!

Jede Verpackung kann ein Nahrungsmittel kontaminieren. Deshalb, so rät Sven Bach, soll man lieber unverpackte Ware kaufen.

Jede Verpackung kann ein Nahrungsmittel kontaminieren. Deshalb, so rät Sven Bach, soll man lieber unverpackte Ware kaufen.

Die Zutatenliste vieler Produkte gibt Auskunft über ihre Qualität.

Die Zutatenliste vieler Produkte gibt Auskunft über ihre Qualität.

Zur Person: Sven Bach

Sven Bach kennen viele vermutlich als Ernährungsexeperte aus Radio und Fernsehen oder haben eines seiner Bücher über gesunde Ernährung, ernährungsbedingte Erkrankungen und Übergewicht gelesen. Bach war selbst übergewichtig, wog einmal 141 Kilogramm und hat durch seine Gewichtsreduktion seine Berufung gefunden. Seit 20 Jahren ist er staatlich geprüfter Diätassistent. Seine Tätigkeiten umfassen Gesundheitstage, Motivationsvorträge, Seminar und Kochworkshops für die betriebliche Gesundheitsförderung. Sechs Jahre lang war er Ernährungstherapeut und stellvertretender Diätküchenleiter im städtischen Krankenhaus Sindelfingen. Seit 2007 betreibt er in Horb (Am Garnisonsplatz 11) und Stuttgart Praxen, in denen er Patienten mit ernährungsabhängigen Erkrankungen behandelt.

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Erstellt:
13.03.2018, 20:09 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 54sec
zuletzt aktualisiert: 13.03.2018, 20:09 Uhr

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