Justiz

Der Rechthaber

Mayk Herzog wurde wegen Sachbeschädigung und Diebstahls verurteilt. Das Theater um das Sebastian-Lotzer-Haus gleicht immer mehr einer Groteske.

10.10.2018

Von Dagmar Stepper

Tatort Sebastian-Lotzer-Haus: Besitzer Mayk Herzog hat eine Eisenkette zwischen den Betonpollern zersägt, Fußelemente des Bauzauns entwendet und damit die Stadt geschädigt. Das Horber Amtsgericht hat ihn deshalb zu 55 Tagessätzen à 100 Euro verurteilt. Bild: Kuball

Tatort Sebastian-Lotzer-Haus: Besitzer Mayk Herzog hat eine Eisenkette zwischen den Betonpollern zersägt, Fußelemente des Bauzauns entwendet und damit die Stadt geschädigt. Das Horber Amtsgericht hat ihn deshalb zu 55 Tagessätzen à 100 Euro verurteilt. Bild: Kuball

Wenn sich Mayk Herzog im Recht fühlt, lässt er sich auch zu Straftaten hinreißen. So geschah es am 2. Mai dieses Jahres. Herzog war beim Einparken eine Eisenkette zwischen zwei Betonpollern im Weg, welche die Stadt vor dem Sebastian-Lotzer-Haus angebracht hatte. Er griff zur Trennscheibe und sägte die Kette auf. Am nächsten Tag hatte der Bauhof die Kette wieder repariert, und Herzog griff erneut zum Werkzeug. Im Weg waren ihm auch die Fußelemente des Zauns, den die Stadt aufgestellt hatte, um die wüste Baustelle am Sebastian-Lotzer-Haus zu kaschieren. Erst stapelte er sie im Gebäude, dann brachte er sie zum Bauhof und lud sie dort an einem Wochenende ab. Immerhin benachrichtigte Herzog den Bauhofleiter Matthias Ruf darüber per E-Mail.

Am Montag stand Herzog deshalb vor Gericht. Die Stadt hatte ihn angezeigt. Die Anklage lautete auf Diebstahl und Sachbeschädigung in Höhe von 150 Euro. Herzog hatte auf einen Anwalt verzichtet und rechtfertigte so selbst die Tat: Seit drei Jahren erschwere die Stadt ihm immer
wieder die Zufahrt auf sein Gelände. Doch er hätte das Recht, dort zu parken. Am 2. Mai hatte er genug: „Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Kette abzuflexen“, sagte Herzog.

Um seine Aussage zu untermauern, zeigte er einen Lageplan des Gebäudes. Dieser überzeugte Richter Albrecht Trick allerdings nicht: „Die Poller stehen auf städtischem Grund“, konstatierte er. Herzog konterte: „Es ist Nötigung, mich davon abzuhalten, auf meinem Grundstück zu parken.“

Wer Recht hat – Herzog oder die Stadt, die den Architekten angezeigt hatte – war innerhalb einer knappen Stunde geklärt. Richter Trick hatte keinen Zweifel daran, dass Herzog die Ketten weggeflext und die Fußelemente entwendet hatte. Herzog hatte die Taten eingestanden, außerdem wurde er beim Flexen von einer Frisörin des gegenüberliegenden Salons beobachtet. Den Diebstahl der Fußelemente hatte Herzog selbst mit der E-Mail dokumentiert. Doch die Verhandlung war ein weiteres Lehrstück in der Causa Herzog. Man könnte es auch die Fortsetzung des Kasperletheaters nennen, das Herzog seit Jahren um das rote Lotzer-Haus aufführt – stets mit dem Anspruch, selbst im Recht zu sein.

Anstatt zur Flex zu greifen den Kontakt mit der Stadt zu suchen, kommt Herzog nicht in den Sinn. Genau das kritisierte der Richter. „Sie dürfen nicht einfach eigenmächtig handeln. Sie müssen das gesetzlich klären. Wir leben in einem Rechtsstaat, nicht in einer Anarchie.“ Doch das beeindruckte Herzog nicht. Im Grunde hätte er der Stadt einen Gefallen getan, die Kette abzuflexen. Denn eine Woche nach seiner Tat wurden die Ketten von der Stadt selbst abgemacht. „Sie waren Rollstuhlfahrern und Rollatoren im Weg“, sagte Herzog. Dass es Beschwerden gegeben hatte, bestätigte Bauhof-Leiter Matthias Ruf, der als Zeuge geladen war. Daher hat der Bauhof auch die Ketten entfernt. Allerdings wurden anschließend Blumenkübel aufgestellt. Das habe Herzog bei den Ritterspielen so erzürnt, dass er Erde auf die Straße geworfen hat, berichtete der Bauhofleiter. Ruf sagte auch, dass die Fläche beim Lotzer-Haus kein ausgewiesener Parkplatz ist. „Herr Herzog steht mit seinem Fahrzeug teilweise auf städtischem Grundstück.“ Herzog wollte Ruf entlocken, dass sie über den Parkplatz geredet haben. „Ich bin nicht Ihr Ansprechpartner“, antwortete Ruf. Herzog pochte weiter auf sein Recht. Horbs Ordnungshüter Hermann Kratschmann hätte ihm versichert, dass er hier parken dürfe, es sei ja sein Grundstück. Das ließ der Richter nicht gelten. „Herr Kratschmann erteilt keine Baugenehmigungen.“

Für die Staatsanwältin war der Fall klar: „Herzog hat sich der Sachbeschädigung und des Diebstahls schuldig gemacht“, sagte sie in ihrem Plädoyer. Sie forderte als Strafmaß 55 Tagessätze zu je 120 Euro. Als positiv wertete sie das Geständnis, zu Lasten des Angeklagten dessen umfangreiches Strafregister. Herzog wurde in den vergangenen 20 Jahren in mehreren Prozessen wegen Unterschlagung, Betrugs, Urkundenfälschung, vorsätzlichem Bankrott, Untreue und Beleidigung verurteilt, teilweise zu Gefängnisstrafen auf Bewährung. „Keiner hat das Recht, sich selbst Recht zu verschaffen“, sagte sie in Richtung des Angeklagten.

Herzog wies in seinem Plädoyer die Schuld weit von sich. Die Stadt Horb gehe von falschen Grundstücksverhältnissen aus, später habe sie selbst die Ketten entfernt. Ordnungshüter Kratschmann habe ihm versichert, dass er sein Fahrzeug dort parken dürfe. „Ich denke, dass ich im Recht war, wenn der Zugang versperrt ist“, argumentierte Herzog.

Den Richter überzeugte das nicht. Er verurteilte Herzog wegen Diebstahl und Sachbeschädigung zu 55 Tagessätzen á 100 Euro und blieb damit unter dem geforderten Strafmaß der Staatsanwaltschaft.

Noch während Trick sein Urteil begründete – „Einfach abflexen geht nicht“ – stand Herzog auf und verließ den Raum. Während der Verhandlung hatte er schon angekündigt, dass er an eine Berufung denkt. Trick versuchte noch, Herzog zurückzuhalten – ohne Erfolg. Perplex blickten die Zurückgebliebenen Richtung Tür.

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Erstellt:
10.10.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 27sec
zuletzt aktualisiert: 10.10.2018, 01:00 Uhr

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