Curevac vor der Phase III

Wir wollen da oben mitspielen

Mit neuem Patent und 26,5 Millionen Euro frischem Kapital bereitet sich Tübingens Biotech-Pionier auf den Einstieg in die Medikamentenproduktion vor.

08.11.2016

Von Ulrich Janßen

Ingmar HoerrBild: Sommer

Ingmar Hoerr Bild: Sommer

Verglichen mit Pharmakonzernen wie Pfizer oder Novartis ist das Tübinger Biotech-Unternehmen Curevac noch ein kleiner Fisch. Über 250 Milliarden Euro ist allein Novartis wert. Curevac kommt gerade mal auf 1 Milliarde Euro.

Doch das könnte sich bald ändern, wenn man Ingmar Hoerr glaubt, dem energiegeladenen Chef des erfolgreichen Tübinger Start-ups. Der promovierte Biologe und Curevac-Mitbegründer glaubt fest daran, dass seine Firma gerade dabei ist, die Medikamentenherstellung weltweit zu revolutionieren.

Der Curevac-Ansatz ist es, dass der Körper selbst die Wirkstoffe herstellt, mit denen er die unterschiedlichsten Krankheiten von Grippe über Diabetes bis Krebs bekämpfen kann. Man muss ihm nur über einen eingeschleusten körpereigenen Botenstoff, die m-RNA, mitteilen, welche Proteine er produzieren soll. „Dieses Verfahren“, sagte Hoerr am Dienstag, „hat eine wahnsinnige Bedeutung für die gesamte Medikamentenproduktion weltweit.“ Theoretisch könnten, wenn sich die Curevac-Idee durchsetzt, ganze Pharma-Werke überflüssig werden.

Der Curevac-Vorstandsvorsitzende war auf Einladung des Tübinger Presseclubs im SWR-Landesstudio zu Besuch. Hoerr nutzte die Gelegenheit, um den Pressevertretern zwei neue Großinvestoren vorzustellen. Die Landeskreditbank Baden-Württemberg und die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte steigen mit insgesamt 26,5 Millionen Euro bei dem Tübinger Unternehmen ein. Zuletzt hatte Microsoft-Legende Bill Gates 46 Millionen Euro in die Firma investiert. Damit erhöhen sich die akquirierten Mittel des Unternehmens auf über 325 Millionen Euro.

Das Geld kann Curevac gut gebrauchen. Das gerade mal 16 Jahre alte Start-up, das bislang nur geforscht und kein Geld verdient hat, baut im kommenden Jahr auf 10 000 Quadratmetern Büros, Labore und eine komplette Produktionsanlage. „Spätestens im Frühjahr soll der Spatenstich erfolgen“, kündigte Hoerr an. Viele Millionen Euro wird der Neubau auf der Oberen Viehweide kosten, das größte Problem dabei ist, dass es für die m-RNA-Produktion keinerlei Vorbilder gibt.

Teuer sind aber nicht nur die Produktionsstätten. Medikamente müssen, bevor sie auf den Markt kommen, zahlreiche vorklinische und klinische Tests durchlaufen. Auch die kosten viel Geld, weil es hohe Risiken gibt und die Behandlungen nicht von den Kassen bezahlt werden. Die ersten, nach der Curevac-Methode produzierten Medikamente (sie sollen Immunreaktionen gegen Grippe, Rota-Viren oder Tollwut hervorrufen) sind laut Hoerr jetzt so weit, dass sie in die Phase III eintreten können. Das heißt: Sie werden im klinischen Bereich an bis zu 100 000 Probanden getestet. Schon im Jahr 2022 könnten dann die ersten Medikamente aus Tübinger Produktion auf den Markt gehen.

Hoerr ist zuversichtlich, dass es bei den Versuchen nicht zu folgenschweren Nebenwirkungen kommt. „Die m-RNA, die wir injizieren, löst sich nach wenigen Tagen im Körper auf. Und die eigentlichen Wirkstoffe produziert der Körper ja selbst, sie lösen daher keine Abstoßungsreaktionen aus.“ Dass die Methode funktioniert, konnte Curevac schon am Beispiel eines Tollwut-Impfstoffs zeigen. „Der Impfstoff wurde gut vertragen und hat funktioniert“, versicherte Hoerr. „Die gewonnenen Daten sind sehr, sehr gut.“

Längst sind auch große Pharmaunternehmen wie Roche oder Genentech auf den Tübinger Pionier aufmerksam geworden. „Wir erleben gerade ein Mega-Momentum“, freute sich Hoerr, „was wir vor 16 Jahren entwickelt haben, wird jetzt interessant.“ Vorsichtshalber hat sich Curevac mit Sanofi und Boehringer zwei erfahrene Pharmafirmen als Kooperationspartner gesucht. „Sie helfen uns beim Aufbau der Produktion.“

Aufgetaucht sind auch die ersten Konkurrenten aus den USA. Die Firma „Moderna Therapeutics“ setzt ebenfalls auf die m-RNA und wird jetzt schon mit 3 Milliarden Euro bewertet. Hoerr ist aber überzeugt davon, den Tübinger Vorsprung halten zu können: „Wir wollen da oben mitspielen“, erklärte er unmissverständlich und verwies stolz auf ein soeben erteiltes EU-Patent. Es schütze sehr umfassend die Curevac-Technologien zur körpereigenen Protein-Produktion per m-RNA: „Die anderen werden mit uns verhandeln müssen.“

Zum Artikel

Erstellt:
08.11.2016, 22:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 52sec
zuletzt aktualisiert: 08.11.2016, 22:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!