Tübingen

Würdig erweisen

Kritik am Bericht über den Prozess gegen eine 70-Jährige aus einer Kreisgemeinde, die Marihuana gekauft haben soll.

26.04.2017

Von ulrich beuerle

Der Bericht über das Verfahren gegen „Oma Rosi“ hat wieder einmal gezeigt, dass es unser TAGBLATT mit der journalistischen Sorgfaltspflicht und der Objektivität, die wir Leser von einer Berichterstattung erwarten, nicht sehr genau nimmt. Nach meinem Verständnis standen vor Gericht Aussage gegen Aussage, was doch ohne Wertung hätte dargestellt werden können.

Stattdessen schreibt die Redakteurin von einer „uneinsichtigen“ Angeklagten, die, statt sich den Aussagen von Zeugen, die andere beschuldigen, um womöglich von ihrer eigenen Schuld abzulenken, zu beugen, auf ihrer eigenen Darstellung beharrt.

Da ein Urteil erst nach einem zweiten Verhandlungstag gesprochen werden dürfte, hat das TAGBLATT hier bereits, völlig unnötigerweise, vorverurteilt, das ganze zum Vergnügen einer sensationslüsternen Leserschaft und auf dem Rücken der unterprivilegierten und ausgegrenzten Glieder der Gesellschaft.

Dass es den Redakteurinnen und Redakteuren auch Spaß machen darf, eine gute Story abzuliefern, wird niemand in Abrede stellen, doch dürfte die Kunst darin bestehen, uns Leserinnen und Lesern, die wir aus gutem Grund dafür bezahlen, eine wirklichkeitsgetreue Berichterstattung zu liefern. Die Presse muss sich jeden Tag der Freiheit, die ihr zugesprochen wird, würdig erweisen, indem sie die Freiheit und Würde derer, die ihr den Stoff zum Schreiben geben, achtet.

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Erstellt:
26.04.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 37sec
zuletzt aktualisiert: 26.04.2017, 01:00 Uhr

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