Verständnis-heischender Blick auf die pakistanische Community in England nach dem 11.September.

Yasmin

Verständnis-heischender Blick auf die pakistanische Community in England nach dem 11.September.

24.11.2015

Von Dorothee Hermann

Yasmin

„Sie haben uns den Krieg erklärt?, sagt Nasir, der früher mit Drogen gehandelt hat und jetzt sein Heil bei fanatischen Glaubenskriegern sucht. Wir befinden uns in einer englischen Stadt kurz nach dem 11. September 2001, als die pakistantische Community unter Generalverdacht geriet und selbst moderate Moslems auf der Straße beschimpft wurden. Die reagierte ihrerseits mehrheitlich mit Abschottung und Rückbesinnung auf die Tradition. Der Film Yasmin wurde 2003 nach intensiven Recherchen des Ken-Loach-Schülers Kenny Glenaan an Originalschauplätzen in Nordengland gedreht. „Seitdem hat sich die Spaltung zwischen ?weißen? und ?asiatischen? Briten noch vertieft?, berichtete Hauptdarstellerin Archie Panjabi („East is east?) bei ihrem Tübingen-Besuch im letzten Herbst ? der Rest ist bekannt. Panjabi spielt die gut assimilierte Titelheldin, die mühsam zwischen der traditionellen Lebensart ihrer Familie und ihrem Faible für westliche Werte balanciert. Am Ende beginnt sie auf Druck der Verhältnisse erstmals in ihrem Leben im Koran zu blättern. Ob der Verständnis heischende Blick des Films auf die britischen Moslems der Wirklichkeit standhält, sei dahingestellt. Für heißen Diskussionsstoff zum Thema Islamismus sorgt er allemal.

Gespräch mit Hauptdarstellerin Archie Panjabi: Es hätte ein Film über einen Selbstmordattentäter werden sollen. Ein festes Drehbuch gab es nicht. Doch die Frauen im Viertel der pakistanischen Einwanderer am nordenglischen Drehort Keithley sprachen offener über ihre Erfahrungen als die Männer. „Yasmin ist aus mehreren Geschichten zusammen gesetzt?, sagt Archie Panjabi, die die Hauptrolle spielt. Das Filmteam des Regisseurs Kenny Glenaan recherchierte ein Jahr lang.

„Mir hat der Film die Augen geöffnet?, sagt die in London lebende Schauspielerin. „Was ich für definitiv überlebt gehalten hatte, gab es wirklich: die Rassenfrage.? Sie fühlte sich ins Pakistan der siebziger Jahre zurück versetzt. Sogar die Kinder auf der Straße trugen traditionelle Kleidung. Das Drehteam machte einfach Aufnahmen und fragte, ob es gegen Honorar das Material für den Film verwenden dürfe.

Der Film wurde im November 2003 gedreht. „Niemand anders hat nach dem 11. September einen Film über die muslimische community gemacht?, sagt Panjabi. Inzwischen sei die Spaltung zwischen „weißen? und „asiatischen? Briten eher noch tiefer geworden, sagt Panjabis Mann Raj Nihalani, auch durch die Erfolge der rechtsextremen British National Party in einigen Regionen Nordenglands. Letztlich könne sie Lebensverhältnisse wie im Film aber nicht beurteilen, sagt die 28-Jährige, die in London lebt. Sie habe nur ein paar Monate während der Dreharbeiten dort verbracht. Nur Yasmins Balancieren zwischen zwei Lebensweisen kann sie gut nachvollziehen. Sie kennt diesen Zwiespalt, „der westlichen peer group und zugleich der familiären Tradition entsprechen zu sollen?.

Schauspielerin wollte Panjabi schon als Kind werden. Lange gab es keine Rollen für „asiatische? Briten. Erst nach „East is East? war der Bann gebrochen, sagt sie. Die Filmgesellschaften erkannten das riesige Zuschauerpotenzial. „Aber einen großen asiatischen Hollywood-Star gibt es immer noch nicht.?

Im Film sieht es aus, als hätte „Yasmin? es geschafft. Sie ist stolz auf ihr Golf-Cabrio. Ein Toyota wäre „typisch Paki? gewesen. Im Viertel sind die pakistanischen Einwanderer unter sich. Yasmin organisiert den Haushalt ? für den verwitweten Vater, den Bruder und den seltsamen Neuankömmling aus Pakistan, der ein offenes Feuer im Hof dem ungewohnten Elektroherd vorzieht. Tagsüber arbeitet Yasmin bei einem städtischen Sozialdienst. Mühelos bewegt sie sich zwischen den Milieus ? bis nach dem 11. September die britischen Muslime unter Generalverdacht geraten.