Aus dem Niemandsland in den Rachen der New Economy. Kühles Psychodrama von gespenstischer Konsequenz.

Yella

Aus dem Niemandsland in den Rachen der New Economy. Kühles Psychodrama von gespenstischer Konsequenz.

24.11.2015

Von Magdi Aboul-Kheir

Yella

"Gespenster" hieß Christian Petzolds Film aus dem Jahr 2005. Zwei entwurzelte Mädchen streifen darin durch ein merkwürdig entseeltes Berlin. Gespenstische Gestalten bevölkern auch Petzolds neuen Film "Yella". Sie treiben durch ein oft unwirkliches, doch zugleich sehr heutiges Deutschland.

Die Geschichte ist einfach. Yella (Nina Hoss) will ihr altes Leben/Ost hinter sich lassen: die kaputte Ehe mit dem aggressiven Ben (Hinnerk Schönemann), der samt seiner Firma in Wittenberge ruiniert ist. Ein neues Leben/West lockt in Gestalt eines Jobs in Hannover. Das klappt nicht, Yella muss zurück nach Brandenburg - um rasch wieder aufzubrechen. Ben versucht sie noch aufzuhalten, er dreht durch, die beiden haben einen schrecklichen Autounfall, stürzen mit dem Geländewagen in die Elbe - aber Yella will ihren neuen Lebenstraum unbedingt weitergestalten.

Erneut in Niedersachsen, lernt sie Philipp (Devid Striesow) kennen, der für eine Private-Equity-Firma Kapitalgeschäfte abwickelt. Als seine buchhalterische Assistentin steigt sie ein in die Welt der Risikokapitalverhandlungen, der ruchlosen Geschäftsübernahmen und Bilanzbetrügereien. Yella und Philipp werden ein Paar - geschäftlich und langsam auch darüber hinaus.

Doch etwas stimmt nicht, und es ist nicht nur das Unfixierbare der Moral, das vage Treiben und Getriebensein der Menschen. Ein Film über die unsoziale Marktwirtschaft, der von Ambros Bierce fantastischer Geschichte "Zwischenfall auf der Eulenfluss-Brücke" inspiriert ist?

Christian Petzold kann das. Es ist seine Version eines Gruselfilms, in dem man nicht so recht weiß, vor was man sich alles gruseln soll: vor den Menschen, vor verwaisten Landschaften und vor kaltem Kapitalismus, vor Vergangenem, Gegenwärtigem oder Zukünftigem? Am besten vor allem. Stadt, Land, Fluss: Wie Petzold Architektur und Natur zugleich sinnlich und sinnbildlich, atmosphärisch und metaphorisch einsetzt, das ist brillant. Er treibt ein geistreiches Spiel mit Farben und Klängen: Da leuchtet Nina Hoss immerrote Bluse im Zivilisations-Einerleigrau, und da sind immer wieder irritierende Ton-Einfälle.

Zudem hat Petzold, der auch das Drehbuch verfasst hat, das Gespür und einen entlarvenden Blick für das Finanzjongleurs-Milieu. Szenenweise scheint dabei - das ist eher neu bei diesem Filmemacher - ein fein dosierter Humor auf. Nicht neu ist, dass Petzold aus seinen Schauspielern wirkungsvolle, nuancierte Darbietungen herausholt. Sie leuchten auf, fallen in sich zusammen, brauchen kaum Worte, um viel zu erzählen. Nina Hoss wurde auf der Berlinale für "Yella" zur besten Darstellerin gekürt. Eine erfreuliche Auszeichnung für einen ausgezeichneten Film.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 21sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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yella ist ein film über den schwebezustand zwischen leben und tod, über ein ungelebtes leben, über träume und über das scheitern.