You Can Count On Me

You Can Count On Me

Anrührendes Familiendrama um zwei grundverschiedene Geschwister.

24.11.2015

Von che

You Can Count On Me

So verschieden können Geschwister sein: Sammy (Laura Linney), die ältere der beiden Waisen, ist ihrer Lebtag nicht aus der Kleinstadt Scottsville hinausgekommen. Sie hat früh geheiratet, wurde geschwängert und entschuldigt sich jetzt beim Pfarrer, wenn sie mal wieder in eine ihrer trostlosen Affären schlittert. Terry hingegen hat das stickige Kaff schon als Teenager verlassen. Seitdem vagabundiert er kiffend durch die Welt, sitzt wegen seines ungestümen Temperaments schon mal im Knast und lässt nur alle paar Monate per Postkarte von sich hören.

Um sich von seiner Schwester Geld zu pumpen, taucht Terry eines Tages unvermittelt in Scottsville auf - und das ist auch schon der ganze Plot von „You can count on me“. Mit Engelsgeduld berichtet Regisseur Kenneth Lonergan vom mühsamen Geschäft des Aufeinanderzugehens und Sich-neu-verstehen-Lernens. Milde dramatische Ausschläge ergeben sich allein durch unterschiedliche Auffassungen beim Umgang mit Kindern. Wenn Terry den kleinen Rudy zum Billard in die Spielhölle schleppt oder den geschockten Jungen mit seinem Arschloch von Vater konfrontiert, hat das im Rahmen dieses Films fast schon Action-Qualität. Das Übrige ist eine Kollektion jener Blicke und Gesten, Gespräche und Gesprächspausen, aus denen sich das Geflecht des Zwischenmenschlichen zusammensetzt - so banal und doch so kompliziert.

Doch so aufschlussreich diese Oberflächen-Analyse des Mittelstandslebens auch ist: Den Blick dahinter, wo die seelischen Abgründe sich auftun, riskiert Lonergan nicht. Dazu sind seine Hauptfiguren viel zu lieb und garantieren, trotz ihrer Macken und der widerstreitenden Lebensentwürfe, höchste Sympathiewerte.

Die Kotzbrocken sind die anderen. Wie zum Beispiel Sammys schmieriger Chef, der sie tagsüber triezt, weil sie ihren Jungen während der Arbeitszeit von der Schule abholt, und sich abends umstandslos sexuell bedienen lässt. Logisch, dass derlei Unbill die Geschwister zusammenschweißt. Und ebenso klar, dass sie, weil es die handelsübliche Gefühligkeit verlangt, am Ende scheiden müssen.

Mit der Mischung aus realistischer Sozialstudie, versöhnlicher Botschaft und Schmiegsamkeit gegenüber dem Publikumsgeschmack hat es der Regisseur allen recht gemacht: Auf dem Independent-Festival in Sundance wurde „You can count on me“ zum besten Film gekürt, und in Hollywood gab es zwei Oscar-Nominierungen für das Drehbuch und die in der Tat großartige Laura Linney.