Bürgergeld

Zeichen der Volksfrömmigkeit

Die Rottenburger Bürgerstiftung, die Morizgemeinde und die Marinekameradschaft wollen den Kreuzweg vom „Preußischen“ zur Altstadtkapelle restaurieren.

13.12.2016

Von Michael Hahn

Nach dem mühsamen Aufstieg aus dem Neckartal erreicht man an der vierzehnten (und letzten) Station die Hochfläche. Die Stele ist ziemlich eingewachsen. Im Hintergrund ist die Altstadtkapelle zu erkennen – ein beliebtes Ziel für Spaziergänge vom Kreuzerfeld aus. Bilder: Hahn

Nach dem mühsamen Aufstieg aus dem Neckartal erreicht man an der vierzehnten (und letzten) Station die Hochfläche. Die Stele ist ziemlich eingewachsen. Im Hintergrund ist die Altstadtkapelle zu erkennen – ein beliebtes Ziel für Spaziergänge vom Kreuzerfeld aus. Bilder: Hahn

Die Inschriften sind verwittert, die Motive sind teilweise nur noch schwer zu erkennen, manche Stelen wirken recht wackelig, einige Stationen sind ziemlich zugewachsen: Der alte Kreuzweg vom „Preußischen“ unten am Neckar steil durch den Wald hinauf zur Altstadtkapelle ist sehr unansehnlich geworden.

Nun will sich eine Rottenburger Bürger-Initiative um die Restaurierung kümmern. Am vergangenen Dienstag bewilligte der Sozialausschuss des Gemeinderats dafür 20 000 Euro aus dem städtischen Bürgergeldtopf – als Anschubfinanzierung. Die Gesamtkosten werden eher das Dreifache davon betragen.

Die frühere WiR-Stadträtin Ute Drews stellte das Projekt im Ausschuss vor (als zweite Vorsitzende der Rottenburger Bürgerstiftung). Der Kreuzweg stammt aus dem Jahr 1861. Die 14 Stelen bestehen aus Wendelsheimer Sandstein. Irgendwann im 20. Jahrhundert erhielten sie Bilder des Rottenburger Kunstmalers Eugen Stehle (1882 bis 1968).

1990 restaurierten Schülerinnen von Sankt Klara die Gebets-Stationen. Dabei ersetzten sie die Stehle-Bilder (oder was noch davon übrig war) durch braune Tontafeln. Auch davon sind mittlerweile einige verschwunden. Die früheren Drahtgitter zum Schutz der Bilder gibt es nicht mehr.

In Absprache mit dem Landesdenkmalamt wollen nun die Rottenburger Bürgerstiftung, die katholische Moriz-Gemeinde und die Marine-Kameradschaft den Weg sanieren. Sie haben eine sechsköpfige „Steuerungsgruppe Kreuzweg Altstadtkapelle“ gebildet. Diese will zunächst die Esslinger Restauratorin Sara Larisch für knapp 5000 Euro mit einer Schadens-Dokumentation beauftragen und anschließend die eigentliche Sanierung planen. Dazu gehört auch die Frage, ob die Tontafeln von 1990 beibehalten oder durch neue Bilder ersetzt werden sollen.

Gedacht ist daran, erst mal nur eine Stele zu restaurieren. Mit diesem Beispiel will die Steuerungsgruppe dann Spenden und Sponsorengelder auftreiben, um damit alle 14 Stationen zu sanieren. Das Ganze werde sich wohl „über drei bis vier Jahre hinziehen“, sagte Drews.

Das Ziel des Antrags: „Erhalt des Kulturdenkmals für die nächsten 50 Jahre.“ Der Kreuzweg sei „ein typisches Zeichen alter Volksfrömmigkeit“. Nach einer Sanierung könne er „in Kombination mit der Altstadtkapelle als touristisches Ziel angesteuert werden“.

In den Antrags-Unterlagen sind auch mögliche Folgekosten benannt (aber nicht beziffert): „Die gelegentliche Reinigung der Stationen, die Instand- und Sauberhaltung des Weges und eine sachgemäße Ausschilderung.“

Kulturamtsleiter Karlheinz Geppert sprach sich für die Sanierung aus: „Der Kreuzweg ist nicht nur religiöse Geschichte, sondern er gehört zur Stadtgeschichte.“ Linken-Stadtrat Christian Hörburger war ebenfalls dafür, befürchtete aber: „Wir nehmen dem Denkmalamt und dem Bischöflichen Ordinariat die Arbeit ab“ – und vor allem: die Kosten. Das Landesdenkmalamt habe für solche „Kleindenkmale“ aber gar kein Geld, entgegnete Baubürgermeister Thomas Weigel.

Oberbürgermeister Stephan Neher ergänzte, dass die Stadt mit der Diözese bereits über die Sanierung des Prozessionswegs zur Weggentalkirche verhandele. Dort seien allerdings mehrere Grundstückseigentümer betroffen. Der Kreuzweg zur Altstadtkapelle dagegen verlaufe komplett auf städtischem Boden – deswegen sei die Sanierung hier auch weniger kompliziert, rechtlich gesehen.

Die 20 000 Euro, die der Sozialausschuss nun bewilligt hat, sind der Höchstbetrag für einen Zuschuss aus dem Bürgergeldtopf. Trotzdem werde das Budget für Kernstadt-Aktionen auch 2016 nicht ganz ausgeschöpft, sagte die städtische Ehrenamtsbeauftragte Birgit Reinke. OB Neher merkte an, dass etliche Arbeiten rund um die eigentliche Restaurierung der Bildstöcke auch durch Ehrenamtliche geleistet werden können. Neher: „Das hilft fürs Fegefeuer.“

Schadhafte Inschrift am Sockel der zehnten Station.

Schadhafte Inschrift am Sockel der zehnten Station.

Was ist ein Kreuzweg?

Ein Kreuzweg ist ein Wallfahrtsweg, der an den Leidensweg von Jesus Christus erinnern soll – von der Verurteilung durch Pontius Pilatus bis zur Kreuzigung und Grablegung. Typischerweise besteht er aus 14 Stationen, meist Bildstöcken. Sozusagen die 15. Station ist dann eine Kapelle oder Kirche.

Die Gläubigen gehen die Strecke individuell oder gemeinsam. An jeder Station kniet man nieder und betet. Auch dieses Ritual wird „Kreuzweg“ genannt.

Die Rottenburger Morizgemeinde organisiert immer an Karfreitag einen gemeinsamen Kreuzweg zur Altstadtkapelle.