Ergenzingen · Pfingstturnier

Zu viert in einem Doppelzimmer

Nach 48 Jahren hat es in diesem Jahr wegen der Corona-Krise kein internationales Turnier in Ergenzingen gegeben. Die Macher der ersten Stunde blicken auf die Turniergeschichte zurück.

02.06.2020

Von Sascha Eggebrecht

So sah Mal in den 1980er-Jahren das Top-Team in Ergenzingen aus.

So sah Mal in den 1980er-Jahren das Top-Team in Ergenzingen aus.

Auch Jürgen Schäfer scheint ein Gewohnheitsmensch zu sein. Der Organisator des internationalen Jugendturniers der vergangenen Jahre blickt dieser Tage wehmütig auf den Kunstrasenplatz des Breitwiesen-Stadions. „Heute hätten wir den Sportplatz zurechtgemacht und die ersten Teams wären auch bereits eingetroffen.“ Doch wegen der Corona-Krise bleibt das Gelände leer. „Es war zudem auch ein echt komisches Gefühl am Festplatz vorbeizulaufen. Normalerweise steht da vor Pfingsten immer das Zelt – nun nicht“, sagt Schäfer, dem das Turnier schon jetzt fehlt.

Statt sich die Spiele und mögliche Topstars der Zukunft von der Tribüne anzusehen, saßen Hermann Baur, Ferdi Frick, Walter Renz, Frank und Jürgen Schäfer in der TuS-Gaststätte und kramten in der Turniergeschichte herum. Wenn es nach dem damaligen TuS-Ausschuss gegangen wäre, hätte es im Jahr 1972 nicht die erste Auflage gegeben. „Was sollen wir mit einem Jugendturnier, wenn wir davor unsere Sportwoche haben“, hieß es. Doch der damalige Jugendleiter Walter Baur und Jugendtrainer Otto Raible wollten das Turnier und bekamen es.

Hermann Baur – 30 Jahre Organisator des Turniers – erinnert sich, dass das Zusammenstellen der Turniermannschaften damals alles andere als einfach war. Telefax? Gab es nicht. Mal schnell ne E-Mail schreiben? Ausgeschlossen. Also machten sich Hermann Baur zusammen mit Walter Baur und zwei weiteren Personen auf den Weg nach Zürich. Das Quartett wollte die Blue Stars Zürich zum Turnier einladen. In der Schweiz angekommen, war eine Übernachtung im Kolping-Haus eingeplant. Als die vier Ergenzinger dann die Zimmerpreise zu Gesicht bekamen, fiel ihnen fast die Kinnlade auf den Tresen. „Die Preise waren enorm. Wir schmiedeten einen Plan und haben nur ein Zimmer gebucht. Die anderen beiden haben sich immer mit aufs Zimmer geschlichen und zwei mussten dann auch auf dem Boden schlafen“, sagt Hermann Baur. Doch die Strapazen hatten sich gelohnt: Zürich sagte zu und war somit mit dem FC Romanshorn die ersten internationalen Teams beim Turnier.

Erfolgreich waren die Züricher indes nicht. Während der SV Tübingen erster Turniersieger wurde, belegte Zürich den vorletzten Platz. Romanshorn wurde Dritter. Und wie schnitt der TuS Ergenzingen ab? Gar nicht. Denn der TuS war erst das erste Mal im Jahr 1978 mit von der Partie. „Der VfR Schwenningen hatte kurzfristig abgesagt, da blieb uns gar nichts anderes übrig, als unser Team nachzunominieren“, sagte Renz.

Während des Turniers im Jahr 1976 hätte Renz auch noch eine weitere Mannschaft benötigt, denn der Heidenheimer SB, der Vorgängerverein des heutigen Zweitligisten 1. FC Heidenheim, reiste vom Turnier vorzeitig ab. Was war vorgefallen? Das Team hatte sich über den Schiedsrichter aufgeregt. „Er war auch nicht der beste und verließ den Mittelkreis nicht ein einziges Mal“, erinnert sich Renz. Dann bekamen die Heidenheimer einen Elfmeter, den sie verschossen. So weit alles ok. Doch dann hatte ein Spieler der gegnerischen Mannschaft den Ball auf der Linie ganz klar mit der Hand aufgehalten. Doch die Pfeife blieb stumm. Wutentbrannt rannten die Spieler zum Unparteiischen. Der blieb aber gelassen und sagt nur: „Ihr habt den Ersten ja schon verschossen, dann braucht ihr diesen ja auch nicht.“ Dass war zu viel des Guten. Nach dem Spiel reiste die Mannschaft ab und das Spiel um Platz sieben musste gestrichen werden.

„In der Anfangsphase des Turniers hatten wir schon Probleme mit den Schiedsrichtern. Sie pfiffen sonst meist nur B-Liga und daher war ihnen das Tempo zu hoch“, sagt Hermann Baur. Die Lösung des Problems? Die TuS-Organisatoren wandten sich an den Württembergischen Fußballverband. „Die haben uns dann immer Schiedsrichter geschickt“, sagt Hermann Baur. Dies führte dann allerdings dazu, dass es Probleme mit dem damaligen Bezirksschiedsrichter-Obmann gegeben hat. „Klar, war er nicht erfreut, dass seine Schiedsrichter nicht zum Einsatz kamen. Doch der Frust hatte sich dann im Laufe der Zeit gelegt“, sagt Walter Renz.

1984 hatte es zunächst auch Spannungen zwischen der tschechischen Mannschaft aus Ostrau und der israelischen Mannschaft aus Haifa gegeben. Bei der Eröffnungsfeier sollten beide Teams direkt nebeneinanderstehen. Doch das lehnten die Tschechen aus geschichtlichen Gründen kategorisch ab. Die Teams wurden auseinandergestellt und das Turnier konnte starten. „Als die Spiele dann beendet waren, standen abends dann die Betreuer aus Ostrau und Haifa zusammen an der Bar und haben dort etwas getrunken. Dieses Bild werde ich nie vergessen“, sagt Renz, den es freut, dass das Ergenzinger Pfingstturnier auch zur Völkerverständigung beigetragen hat.

Nur in diesem Jahr bleibt das Breitwiesen-Stadion leer und es werden keine neuen Anekdoten dazukommen. Aber im nächsten Jahr soll der Ball an Pfingsten wieder rollen. Da sind sich alle beim TuS Ergenzingen einig. Allein schon wegen der Gewohnheit.

In diesem Jahr gab es kein Warten auf den Einlauf für ein Spiel beim Pfingstturnier in Ergenzingen. Wegen der Corona-Krise wurde das Turnier bereits frühzeitig abgesagt. Bild: Ulmer

In diesem Jahr gab es kein Warten auf den Einlauf für ein Spiel beim Pfingstturnier in Ergenzingen. Wegen der Corona-Krise wurde das Turnier bereits frühzeitig abgesagt. Bild: Ulmer

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Erstellt:
02.06.2020, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 02.06.2020, 01:00 Uhr

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