Horb · Landtagswahl-Kandidatur

Zuhörer auf Augenhöhe

Timm Kern will als Bildungsexperte ein drittes Mal für die FDP ins Parlament und sieht Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung.

28.01.2021

Von Annette Maria Rieger

Timm Kern hat mittlerweile viel Erfahrung im Politbetrieb gesammelt und sieht sich selbst immer noch als Brückenbauer. Bild: Karl-Heinz Kuball

Timm Kern hat mittlerweile viel Erfahrung im Politbetrieb gesammelt und sieht sich selbst immer noch als Brückenbauer. Bild: Karl-Heinz Kuball

Ja, sagt Timm Kern (48), er will wieder in den Landtag. Fortführen, was er dort aufgebaut hat. Seit zehn Jahren vertritt der in Horb aufgewachsene Politiker den Landkreis Freudenstadt im Parlament. Längst kennt sich der Theologe und Studienrat aus im Stuttgarter Politbetrieb, weiß, wie die Strukturen sind, Absprachen laufen.

Seine zweite Legislaturperiode im Landtag, so zeigt der Blick auf die vergangenen fünf Jahre, hatte es dennoch gewaltig in sich.

Da war zunächst der Einzug der AfD in den Landtag, der viel Krawall in die politsche Debatte gebracht hat und demokratische Grundregeln torpediert. Im Herbst 2016 bezeichnete Kern als erster Politiker bundesweit die AfD öffentlich als rechtsradikal. Eine Million Mal wurde seine Rede als parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion mit dieser Aussage geklickt. Kern ging viral – und musste viele Anfeindungen von Rechts einstecken. „Da ging mir schon das Zäpfle“, erinnert er sich.

Im Januar 2019 zwangen ihn Überlastung und Überforderung zum Umgang mit der Diagnose „Burnout“. Eine „ungesunde Mischung aus einem gewissen Perfektionismus und dem Gefühl, man wird den eigenen Ansprüchen und denen, die an einen herangetragen werden, nicht mehr gerecht“, so Kern, forderte ihren Tribut. Kern zog die Notbremse, legte den Kreisvorsitz der FDP nieder und lernte, wie er sagt, „die Dinge im Leben neu zu bewerten“.

Partei hat Priorität

Seither treibt der Familienvater mehr Sport, versucht, sich bewusster zu ernähren, seine Batterien immer wieder aufzuladen und auch einfach mal abzuschalten, wobei ihm Lesen gut helfe. So fühle er sich gut aufgestellt, um weitere fünf Jahre im Landtag zu arbeiten. Nein, winkt er ab, um Ämter gehe es ihm nicht. Erstmal gehe es nur darum, dass die FDP gut abschneidet – die derzeit in den Umfragen bei etwa sieben Prozent liegt.

Heute habe man sich im Landtag, so Kern, erschreckenderweise fast schon an die AfD gewöhnt, obwohl diese mittlerweile – „wie ich finde: zu Recht“ – als rechtsextremistisch gelte. Kopfschüttelnd fügt er an: „Mit Schaum vor dem Mund ist doch keine Politik zu machen.“ Dafür seien die anderen Parteien (Grüne, CDU, SPD) enger zusammengerückt. Kern: „Wir streiten leidenschaftlich um die besten Ideen, gerade auch in der Bildungspolitik – und respektieren uns dabei aber auch immer noch.“

Als bildungspolitischem Sprecher der oppositionellen FDP-Landtagsfraktion liegt es an ihm, der für die Schulen zuständigen Kultusministerin besonders wachsam auf die Finger zu schauen. „Frau Eisenmann hat ganz bestimmt keinen einfachen Job“, gesteht Kern der für die Schulen zuständigen CDU-Ministerin in dieser „schwierigen, diffusen“ Zeit zu. Doch seine Kritik sei schon vor der Corona-Pandemie gewesen: „Was Digitalisierung an Schulen betrifft, hat das Land zu lange zu wenig gemacht.“ Hier sieht Kern Nachholbedarf: „Da muss investiert werden!“

Er möchte, „dass man am Zustand der Schulen – sowohl an der baulichen Substanz als auch der digitalen Infrastruktur – erkennt, dass uns die Bildung unserer Kinder wichtig ist.“

Für die Digitalisierung im Land, was bislang Innenminister Thomas Strobl (CDU) mitbetreut, fordert die FDP ein eigenständiges Ministerium. Dafür, so Kern, spreche allein schon die gefloppte Bildungsplattform Ella, „ein Desaster aufgrund des katastrophalen Projektmanagements – auch deshalb, weil die Zuständigkeiten nicht klar waren.“

Die Medienerziehung der Kinder muss nach Kerns Ansicht bereits in der Grundschule beginnen – inklusive der Frage: „Wann bleibt das Handy auch mal aus?“

Eigene Budgets für Schulen

Kompetenzen der Lehrer im viel gescholtenen Fernunterricht will Kern in Ausbildung und im Referendariat verankert wissen. Und: „Schulen sollten ein eigenes Fortbildungsbudget haben, um eigene Schwerpunkte setzen zu können.“ Außerdem sollen sie unabhängiger und eigenständiger in ihrer Personalauswahl werden.

Kern ist ein Verfechter der offenen Ganztagsschule. Die „durchgetaktete Zwangsganztagsschule“, so seine Kritik, lege das ehrenamtliche Engagement der Vereine, Kirchen, Feuerwehren trocken. Sein Ansatz ist: „Die Familien brauchen erstklassige, hochwertige Nachmittagsbetreuung in ihrer ganzen ausdifferenzierten Lebenswirklichkeit.“

Jedem auf Augenhöhe zuhören, so sagt Kern, ist die wichtigste Eigenschaft, die man als Mensch, Politiker und Lehrer hat. Sein Anspruch dabei ist: „Man muss die Menschen immer da erreichen, wo sie sind. Und nicht da, wo man sie gerne hätte.“ In diesem Sinne bediene er mit seinem vierköpfigen Team die sozialen Medien, um via Facebook, Instagram und Twitter möglichst auch junge Menschen für Politik zu interessieren: „Wir sehen ja, wie wichtig das ist. Demokratie ist nicht selbstverständlich und muss immer, immer, immer wieder neu erkämpft und verteidigt werde.“

Dabei sind die Aufgaben der kommenden Landesregierung, so Kern, „in der Tat sehr groß“. Mit einer Schuldenaufnahme in Höhe von rund 13,5 Milliarden Euro für den Doppelhaushalt 2020/2021 sind die Zeiten vorbei, in denen Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet wurden. Umso wichtiger aus Kerns Sicht: Durch die Digitalisierung könne man im Landkreis noch weitere Chancen und Potenziale wecken. Dabei dürfen die Behörden „keine fortschrittsfreien Zonen bleiben“, so Kern. Er hofft, dass damit auch die Bürgerbeteiligung gestärkt werde: „In Sachen Bürgerorientierung bin ich sicher durch die Michael-Theuer-Schule gegangen“, sagt er.

Eines der zentralen politischen Anliegen seines Parteifreundes, der wie Kern aus Horb stammt, ist auch ihm sehr wichtig: „Immer wieder zu fragen: Für wen machen wir denn Politik?“

12 Fragen an Timm Kern

Welches Buch liegt auf Ihrem Nachttisch?

Richard David Precht: Geschichte der Philosophie, Band 32.

Welche Musik, Podcasts oder Hörbücher hören Sie, wenn Sie unterwegs sind?

Je nach Stimmung: SWR3 oder klassische Ouvertüren.

Wer ist Ihr politisches Vorbild?

Da gibt es mehrere, unter anderem. Mahatma Gandhi, Otto Wel und, Rosa Parks.

Welches Getränk macht Ihnen gute Laune?

Für gute Laune brauche ich kein Getränk.

Wie entspannen Sie sich am liebsten?

Ich versuche, einmal im Jahr ein paar Tage im Kloster Exerzitien zu machen; ansonsten beim Joggen im Wald.

Wo auf der Welt -

außerhalb des Landkreises Freudenstadt – gefällt es Ihnen

besonders gut?

Kloster Kirchberg/Sulz

Was ist Ihr wichtigster persönlicher Wunsch für sich selbst?

In diesen Zeiten:

Gesundheit für meine Familie und mich.

Was wünschen Sie dem Landkreis?

Dass die Politik mehr aus den Chancen und Potenzialen macht, die der Landkreis bietet.

Welche Fähigkeit hat Ihnen im zurückliegenden Jahr

besonders geholfen?

Dass ich nur selten meinen Optimismus und meinen Humor verliere.

Was möchten Sie noch unbedingt dazu lernen – außerhalb der Politik?

Nachdem ich 2020 meinen ersten Halbmarathon (21,1 km) gelaufen bin, würde ich 2021 gerne die 25-km-Marke schaffen.

Woran erkennen Sie, dass sich eine

Diskussion nicht

weiter lohnt?

Diskussionen machen nur Sinn, wenn jeder Teilnehmer es für möglich hält, sich zu irren.

Würden Sie lieber in die Vergangenheit reisen oder in die Zukunft – und warum?

In die Zukunft – zur Meisterschaftsfeier des VfB Stuttgart.

Dr. Timm Peter Kern, 1972 in Tübingen geboren, verbrachte seine ersten 30 Lebensjahre in Horb und war für die FDP im Gemeinderat und im Kreistag aktiv.

Kern hat katholische Theologie, Geschichte und Politikwissenschaft studiert und 2007 promoviert. Er ist verheiratet, Vater einer Tochter und eines Sohnes, und lebt mit seiner Familie in Tübingen.

Kern hat vor seinem Einzug in den Landtag als Gymnasiallehrer die Fächer Geschichte, Gemeinschaftskunde, katholische Religion und Wirtschaft unterrichtet.

Seit Frühjahr 2011 ist Timm Kern Landtagsabgeordneter für den Landkreis Freudenstadt. Er sitzt für die FDP/DVP-Fraktion im Bildungsausschuss und ist Sprecher für Kirchen, Jugend und Religionsgemeinschaften.

Seit August 2013 hat Kern das Amt des Parlamentarischen Geschäftsführers und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der liberalen Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg inne.

Vorstellungen der Landtagskandidaten des Wahlkreises Freudenstadt in der NECKAR-CHRONIK: Viviana Weschenmoser (SPD)Winfried Asprion (Grüne)Dr. Timm Kern (FDP)Katrin Schindele (CDU)Dr. Uwe Hellstern (AfD)Niko Kulisch (Die Linke)