Horb · Kommunalpolitik

Debatte und Abstimmung über Gewerbegebiet bei Ahldorf

Die Horber Stadtverwaltung bleibt bei ihrem Zuschauerlimit für die Sitzung des Gemeinderats am Mittwochabend in der Hohenberghalle. Allerdings wird die Veranstaltung live im Internet übertragen.

21.10.2020

Von Benjamin Breitmaier

Die Ratssitzung am 28. Juli wurde auf Bildschirme vor der Hohenberghalle übertragen. Ist dies am Mittwoch wieder möglich?  Archivbild: bbm

Die Ratssitzung am 28. Juli wurde auf Bildschirme vor der Hohenberghalle übertragen. Ist dies am Mittwoch wieder möglich? Archivbild: bbm

+++ UPDATE 21. Oktober, 14.30 Uhr: Die Gemeinderatssitzung am Mittwochabend wird live im Internet übertragen. +++ Die URL für den Stream lautet: https://youtu.be/jnerjS8yA_w. +++

Selten wurde einer Sitzung des Horber Gemeinderats derart entgegengefiebert. Am Abend des Mittwoch, 21. Oktober, stellt das Gremium die Weichen für die weitere Entwicklung von Gewerbeflächen in Horb. Es ist die entscheidende Sitzung für die Bürgerinitiative Hau und Holzwiese, deren Protest nun seit mehreren Jahren wogt. Deutlich mehr als hundert Personen wären wahrscheinlich gekommen. Doch in einer Pressemitteilung vom Montag begrenzte die Stadtverwaltung Horb die Teilnehmerzahl nicht nur auf 50 Besucher, sondern weigert sich mit dem Hinweis auf den Infektionsschutz außerdem, die Sitzung wie im August auf Leinwänden vor der Halle zu übertragen. Das Horber Rathaus beruft sich dabei auf die jüngste Corona-Verordnung der Landesregierung. Nun gibt es erhebliche Zweifel am Vorgehen der Stadt. Denn in der Verordnung sind für Sitzungen der Exekutive explizit Ausnahmen vorgesehen.

„Aufgrund der gestiegenen Inzidenzzahl sowohl im Landkreis als auch im Stadtgebiet sieht das Hygienekonzept für die Gemeinderatssitzung am 21. Oktober 2020 entsprechend der Vorgaben für Veranstaltungen eine Begrenzung der Teilnehmerzahl auf insgesamt 100 Personen vor.“ So lautet die Begründung der Verwaltung zur Begrenzung der Teilnehmerzahl. Der Satz ist bemerkenswert, denn im einschlägigen Paragrafen 10 Absatz 4 beschreibt die Verordnung Ausnahmen von der 100-Personen-Grenze. Wörtlich heißt es: „Absätze 1 bis 3 finden keine Anwendung auf Veranstaltungen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Rechtspflege oder der Daseinsfürsorge oder -vorsorge zu dienen bestimmt sind, insbesondere auf Veranstaltungen und Sitzungen der Organe, Organteile und sonstigen Gremien der Legislative, Judikative und Exekutive sowie Einrichtungen der Selbstverwaltung einschließlich von Erörterungsterminen und mündlichen Verhandlungen im Zuge von Planfeststellungsverfahren.“

Wichtig ist dabei nicht nur der Blick auf die Ausnahme der Sitzungen selbst, sondern auch auf Veranstaltungen wie „Erörterungstermine“. Diese sind oft Teil von Planfeststellungsverfahren. Bei ausreichender Größe wie bei Stuttgart 21 oder ähnlichen Projekten kommen zu solchen Terminen mehrere hundert Personen.

Platz für 300 Personen

Im Verhältnis hierzu liegt der Schluss nahe, dass es möglich sein sollte, zu einer Sitzung des Gemeinderats mehr als 50 Besucher zuzulassen. Vor allem beim Blick auf die Kapazität der Hohenberghalle: Bei Normalbetrieb finden hier 1200 Menschen auf Stühlen Platz, hinzu kommen weitere 480 Sitzmöglichkeiten auf der Tribüne. Selbst bei einer coronabedingten Maximalauslastung von 20 Prozent – angelehnt an eine Empfehlung des „Research Institute for Exhibition and Live-Communication“ – gäbe es immer noch Plätze für mehr als 300 Personen.

Die Ausnahmeregelung wird in der Mitteilung der Stadt mit keinem Wort erwähnt. Ebenso wenig wie eine Antwort im Bereich „Fragen und Antworten zu privaten Feiern und sonstigen Veranstaltungen“ auf der Webseite des Staatsministeriums. Auf die Frage: „Werden Beschäftigte, Dienstleister und andere Mitwirkende mitgezählt?“, heißt es in der Antwort: „Bei der Bemessung der Teilnehmerzahl bleiben Beschäftigte und sonstige Mitwirkende an der Veranstaltung wie Band, DJ oder Alleinunterhalter außer Betracht.“ Wenn also der Rat und die Verwaltungsmitarbeiter in der Gremiumssitzung als Mitwirkende betrachtet werden, müssten selbst ohne Ausnahmeregel 50 weitere Personen zugelassen werden.

Erst auf Anfrage der SÜDWEST PRESSE bezieht die Stadtverwaltung Stellung zur Rechtslage. Laut Stadtsprecherin Inge Weber sei es „auch nach Erörterung der Fragestellung mit dem Regierungspräsidium zulässig, den Zugang von Zuhörern zahlenmäßig zu beschränken“. Die Stadtspitze argumentiert mit einer „Signalwirkung“, die eine höhere Zuschauerzahl auf andere Veranstaltungen haben könnte.

„Ich habe Zweifel an der Auslegung der Stadtverwaltung“, kommentiert Thomas Mattes das Vorgehen des Rathauses. Mattes ist nicht nur Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat, sondern erfahrener Verwaltungsjurist. In einer vorläufigen Prüfung hält er den Absatz 4, die Ausnahmen, in dem Fall für einschlägig.

Deutlicher wird die Sprecherin der Bürgerinitiative Hau und Holzwiese sowie Vorsitzende der BiM-Fraktion im Gremium, Christina Nuss: „Das ist für mich der Hammer. Ich bin wahnsinnig enttäuscht“, erklärt sie im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE. Es hätten sich zahlreiche Menschen angemeldet, viele hätten auch gern einen Live-Stream vor der Halle angeschaut wie zuletzt im Juli. Hier verweist die Stadt ebenfalls auf den Infektionsschutz.

Die Verantwortlichen wollen „eine größere, schwer überschaubare Ansammlung von Personen vor der Halle beim Zugang zur Sitzung vermeiden. Da bei der zunächst geplanten Übertragung in den Außenbereich die Einhaltung des Mindestabstandes und der Zugang zur Übertragung mit Nachverfolgung von Kontaktdaten nicht sichergestellt werden kann, wird aus Gründen des Infektionsschutzes von der zunächst vorgesehenen Übertragung ins Freie abgesehen.“

Die einzige Möglichkeit wäre es laut Stadtverwaltung, eine Demonstration anzumelden. Heißt: Die Stadt selbst traut sich allem Anschein nicht zu, den Infektionsschutz für die Teilnehmenden vor der Halle sicherzustellen, überlässt aber den Aktivisten die Möglichkeit, es in eigener Verantwortung zu versuchen.

Die Möglichkeit, eine Demonstration anzumelden, habe ein Sachbearbeiter der Stadtverwaltung Rätin Nuss am Montag erklärt. Dazu müssten die Verantwortlichen ein Hygienekonzept ausarbeiten. Bedeutet: Organisation von Ordnern, Personenströme regeln, Möglichkeiten zur Desinfektion bereitstellen, Schilder besorgen und aufstellen. Das alles müssen die Organisatoren dokumentieren.

In der Kürze der Zeit stellt allein dieser Umstand für Ehrenamtliche eine hohe Hürde dar. Überrascht ist Nuss nicht: „Es war nicht anders zu erwarten“, meint die Gemeinderätin. In ihrer Stimme liegt Frust. Im Sommer habe man die Sitzung vertagt, auch im September stand sie nicht auf der Tagesordnung, obwohl sie schriftlich und mündlich zur Eile gedrängt habe. „Ich habe darauf hingewiesen, dass es im Oktober zu spät sei, aber das hat niemanden interessiert. Das hat man billigend in Kauf genommen.“

Entwicklung bleibt unklar

Laut Stadtverwaltung wurde bis Dienstagabend, 17.06 Uhr, keine Demonstration angemeldet. Damit ist völlig unklar, was vor und in der Hohenberghalle passieren wird. Werden Demonstranten kommen? Wenn ja, wie viele? Wie wird die Polizei reagieren, wenn es zu viele sind? Es gilt immerhin ein Versammlungsverbot für Gruppen von mehr als zehn Personen. Zu Redaktionsschluss am Dienstagabend beriet der Gemeinderat nichtöffentlich, ob die Mittwochssitzung live im Internet übertragen wird. Der Blick auf Rottenburg zeigt jedenfalls: Live-Streaming von Gemeinderatssitzungen ist möglich.

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Erstellt:
21.10.2020, 14:35 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 06sec
zuletzt aktualisiert: 21.10.2020, 14:35 Uhr

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