Cinéconcert der Französischen Filmtage

Zurück in die Zukunft mit einem ganz eigenen Ton

Meilenstein des Retro-Futurismus: Die Klang-Ingenieure NeirdA&Z3ro feat. Stephen Besse instrumentalisieren einen Sci-Fi-Klassiker.

06.11.2016

Von Wilhelm Triebold

Vorkriegsstimmung zur Vorweihnachtszeit: Sébastien Rozé alias Z3ro trommelt im Cinéconcert gegen die Leinwand an, auf der William C. Menzies‘ Film „Les Mondes futurs“ zu sehen ist.Bild: Franke

Vorkriegsstimmung zur Vorweihnachtszeit: Sébastien Rozé alias Z3ro trommelt im Cinéconcert gegen die Leinwand an, auf der William C. Menzies‘ Film „Les Mondes futurs“ zu sehen ist.Bild: Franke

Der Journalist Niklas Maak hat den Retro-Futurismus, also die Rückschau auf die Zukunftsvisionen der Vergangenheit, den „neuen Historismus für die stilbewussten Kinder des Pop“ genannt. Das französische Duo NeirdA&Z3ro (ein phantasievolles Pseudonym für den Pianisten-Maschinisten Adrien Maury und den Schlagzeuger- Gitarristen Sébastien Rozé) huldigen dieser Art von popkultureller Verarbeitung, indem sie gemeinsam mit Stephen Besse den Science-Fiction-Hybrid „Les Mondes futurs“ neuvertonten: Zu hören und zu sehen war dies am Freitagabend als Cinéconcert im Sparkassen-Carré.

Ein englischer Film, teils stumm, teils mit englischen Untertiteln (doppelt hält besser): Erstaunlich, wie prophetisch und visionär der 1936 entstandene Sci-Fi-Klassiker Ängste und Neugierde bündelt, um aufs Jahr genau den bevorstehenden Weltkrieg und dann alle möglichen Errungenschaften des Fortschrittsglauben vorherzusehen.

Zuerst einmal wird das Städtchen Everytown in die Steinzeit zurückgebombt, werden durch Schutt und Asche irrende, an einer Walking-Dead-Seuche leidende Zombies gnadenlos abgeknallt, bevor dann straff organisierte Überlebensretter das Regiment übernehmen, den örtlichen Warlord absetzen und (wir sind schon im Jahr 2036) eine schöne neue Welt errichten. Nur mit der Mondlandung haben sich die Drehbuchautoren, H.G. Wells hat da kräftig mitgeholfen, zeitlich ziemlich vertan.

Menzies war noch stark der Collagetechnik verpflichtet, wie sie technisch gerade erst möglich wurde. Teils fliegen die Bilder dahin wie in Walter Ruttmanns neun Jahre älterer, legendärer Berlin-Doku „Symphonie einer Großstadt“. Dazu passte, dass für „Things to come“, wie Menzies‘ Film im Original heißt, der auserkorene Filmkomponist Arthur Bliss die Musik direkt auf den Plot schreiben durfte, was damals absolut unüblich war, was Bliss aber nur ungenügend vollzog.

Wenn etwa der Krieg ausbricht, stimmt Bliss einen effektvollen Triumphmarsch an, wie ihn Prokofjew kaum martialischer hingekriegt hätte. Die Klang-Ingenieure von NeirdA&Z3ro stürzen sich dagegen mit einem fulminanten Schlagzeugsolo ins Kampfgeschehen, mit einer wuchtigen Drum-Battle, bis auf der Leinwand selbst ein riesiges Cinema-Werbeschild sturmreif geschossen ist. Das ist kommentierender – und näher dran.

Den Franzosen gelingt eine furiose Mischung (auch Abmischung) der Klänge, ein eigenwilliger Soundtrack: Die gehegte Befürchtung, sie könnten sich allzu eklektisch zwischen den Stilen des HipHop, Funk, Psychedelic- und Pop-Rock einrichten, bewahrheitete sich nicht. Stattdessen finden sie einen eigenen Ton. Und stehen in der grandiosen Cinéconcert-Tradition des Festivals, von Zone Libre (Murnaus „Nosferatu“) bis RadioMentale (Lotte Reinigers „Prinz Achmed“ und Murnaus „Sunrise“). Im Carré, nur zu zwei Dritteln gefüllt, gab’s anerkennenden Applaus.