Liebreizende Propaganda-Komödie für den Kollektivgeist der guten alten Siebziger.

Zusammen

Liebreizende Propaganda-Komödie für den Kollektivgeist der guten alten Siebziger.

24.11.2015

Von che

Zusammen

Der Kleinfamilie wurde im Kino der letzten Zeit übel mitgespielt. Eine regelrechte Welle von Filmen (mit American Beauty an der Spitze) hat sie als terroristische Vereinigung und Ursache allen Lebensleids gebrandmarkt. Dass nun aber ein Regisseur auf die Idee kommt, ausgerechnet die Kommune als alternatives Modell des Zusammenlebens anzupreisen - damit war nicht zu rechnen.

Weil derlei Wohn-Kollektive heutzutage schwer zu finden sind (und wohl auch aus Gründen des Kolorits), hat der Schwede Lukas Moodyson (Raus aus Amal) seinen Film in den siebziger Jahren angesiedelt. Eine biedere Hausfrau, die von ihrem Ehemann verprügelt wurde, findet mit ihren beiden Kindern Unterschlupf in der Stockholmer "Kommune Zusammen". Was sie dort erwartet, ist eine Wohngemeinschaft aus dem Klischee-Bilderbuch. Der VW-Bus ist bunt bemalt, Zauselbärte gelten als der letzte Schick, Eifersucht ist neben Fernsehen und Fleischfressen das schlimmstmögliche Verbrechen, und Pippi Langstrumpf steht wegen Kapitalismusverdachts auf dem Index. Mit einer Mischung aus atemloser Neugier und distanzierter Ironie schildert Moodyson den von kuriosen Polit-und Öko-Ritualen beherrschten Alltag - und bietet damit viel Anlass zum Schmunzeln.

Doch es kommt noch besser. Vor allem durch die Kinder (und deren Unempfänglichkeit für ideologische Behauptungen) kommt allmählich Bewegung ins verkrustete WG-Geschehen. Der triumphale Einzug bourgeoisen Kulturguts in Gestalt von Hot Dogs, Kriegsspielzeug und sadistischen Folterspielchen ("Jetzt will ich aber Pinochet sein") verscheucht die stalinistische Fraktion (verbohrte ML-Kader, militante Vegetarier) aus der Kommune. Umgekehrt beginnen die WG-Ideale wie Toleranz, Kollektivgeist und sexuelle Freizügigkeit, so unbeholfen sie auch praktiziert werden, die anfangs angeekelten Neuankömmlinge zu faszinieren. Selbst die scheußlichsten Insignien der Öko-Siebziger scheinen am Ende von einem zauberhaften Glanz umflort - auch für uns Zuschauer.

Mit traumhafter Eleganz umtänzelt Regisseur Moodyson (Jahrgang 1970) alle Fallgruben, die sich bei diesem Thema auftun. Weder teilt er die Verachtung Spätgeborener für die Scheiß-68er noch biedert er sich bei den alten Recken mit verlogenen Erinnerungen an die Kampfzeit an. Auch die zynische Haltung mancher Ex-Revoluzzer, die ihren Neo-Karrierismus mit wütenden Anklagen ihrer eigenen "Lebenslügen" abfedern, ist seine Sache nicht. Moodyson beobachtet, wägt ab und kommt zu dem Schluss, dass die 68er in ihrer Mehrheit liebenswerte Spinner waren. Und die Kommune - weit vor der Kleinfamilie - die beste aller unvollkommenen Lebensformen.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 10sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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