Zwei Herren im Anzug

Zwei Herren im Anzug

Mit dem düster-rustikalen Familienepos begibt sich Josef Bierbichler erneut auf autobiografisches Gelände.

21.03.2018

Von Dorothee Hermann

Zwei Herren im Anzug
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Bleischwer lasten die Verhältnisse in der bayerischen Provinz, mag der (Starnberger) See auch noch so idyllisch direkt vor der Tür liegen. Das Leben als Seewirt im Gasthaus ist Verpflichtung, die sich wie ein ehernes Gesetz von Generation zu Generation forterbt und etwaige anderwärts tendierende persönliche Neigungen gnadenlos niederwalzt.

Man kennt die Konstellation aus Josef Bierbichlers autobiografisch angehauchter Familiensaga „Mittelreich“. Der Roman des kantigen deutschen Charakterdarstellers erschien im Jahr 2011 („ein Buch wie eine Axt“, urteilte ein Kritiker). Auf der Bühne verkörperte Bierbichler unter anderem Achternbuschs „Mein Herbert“, Heiner Müllers „Philoktet“, Christoph Marthalers „Faust“ oder den Kaufmann „Lopachin“ in Peter Zadeks „Kirschgarten“-Inszenierung nach Cechov. Nun hat Bierbichler sich den Stoff seines Lebens erneut vorgenommen und in eine wuchtige Leinwandsaga transformiert, bei der er selbst Regie führt und die Hauptrolle(n) spielt.

Für den Wirt Pankraz (Bierbichler) wie für seinen Sohn Semi (Bierbichler-Sohn Simon Donatz) scheint das Glück endgültig aus dem Leben gewichen, als sie nach der Beerdigung der Ehefrau beziehungsweise Mutter (Martina Gedeck als Theres) beisammen sitzen. Nachdem die anderen Trauergäste aufgebrochen sind, steigen Vater und Sohn vor den Resten des Kuchenbüffets in die Erinnerung hinab. Das gibt dem Film die Gelegenheit, apart zwischen Farb- oder Schwarz-Weiß-Sequenzen hin und her zu wechseln.

Was wie eine Abrechnung Pankraz‘ mit seinem Leben, der Welt und mit dem Sohn beginnt, darf schließlich doch der Jüngere zu Ende bringen. Vor allem der Patriarch Pankraz ist derart verbissen ins eigene Unglück, dass die äußeren Umstände, die Politik, die (katholische) Kirche, die Zeitbedingungen (der Nationalsozialismus) nur wie am Rande ihre Schatten werfen. Es dominieren die Zwänge der (oberbayerischen) Provinz.

In einer Zeit, in der die Bundesregierung sich soeben einen Heimatminister gekürt hat, führt der Film recht drastisch vor, was rustikalere Herkunftsgefilde anrichten können, besonders im Stammland der CSU, wo man zwischen der soliden dunklen Täfelung ausharrt wie für immer weggesperrt.

Nur die Ex-Fassbinder-Schauspielerin Irm Hermann durchbricht das Leidensschema. Sie gibt die Nebenrolle als Pankraz‘ Schwester Philomena so funkelnd boshaft, dass sie die allgegenwärtige Schicksalsergebenheit transzendiert.

Führt auf bayerisch-grantelnde Art vor, wie sehr (die gefühlt falsche) Heimat einem Menschen zusetzen kann.

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Erstellt:
21.03.2018, 16:40 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 07sec
zuletzt aktualisiert: 21.03.2018, 16:40 Uhr

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