Organspende

Zweimal Geburtstag im Jahr

Zum zehnten Mal jährt sich der Tag, an dem Wolfgang Armbruster eine Niere entnommen und seinem Bruder Ingo implantiert wurde.

18.01.2018

Von Philipp Eichert

High Five: Wolfgang und Ingo Armbruster denken jedes Jahr am 8. Januar an die Nierentransplantationzurück, die sie 2008 gemeinsam in der Freiburger Universitätsklinik vollzogen.Bild: Kuball

High Five: Wolfgang und Ingo Armbruster denken jedes Jahr am 8. Januar an die Nierentransplantation
zurück, die sie 2008 gemeinsam in der Freiburger Universitätsklinik vollzogen.Bild: Kuball

In Zeiten, da laut Medienberichten die Bereitschaft zur Organspende um acht Prozent zurückgegangen ist, soll mit dem Rückblick auf die erfolgreichen Nierenspende am 9. Januar 2008 von Wolfgang Armbruster an seinen Bruder Ingo ein positives Signal gesetzt werden. Vielleicht gibt es ja einen kleinen Spender-Schub in der Region.

Um nicht auch noch den Rest der Geschwister zu verlieren – der älteste Bruder und eine Zwillingsschwester waren zum Zeitpunkt der Nierenspende bereits verstorben – trug Wolfgang Armbruster an seinem 50. Geburtstag seinem nierenkranken Bruder Ingo eine Niere an.

Der Vater der vier Armbruster-Geschwister war nämlich an Zysten-Nieren verstorben, sein jüngster Sohn Ingo war als einziger an der vererbbaren Nierenkrankheit erkrankt. Bereits 1983 war bei dem damals erst 17-jährigen Betraer abzusehen, dass er einmal auf eine Nierenspende angewiesen sein würde. Zum Zeitpunkt der Transplantation stand Ingo zwar bereits auf der Warteliste für eine Nierenspende, hätte aber vermutlich noch einige Jahre warten müssen.

Diese Zeit verkürzte Wolfgang mit seiner Entscheidung, seinem Bruder aus Deißlingen-Lauffen bei Schwenningen eine seiner beiden gesunden Nieren zu spenden. Zuvor hatten sich die beiden verständigt, dass das Restrisiko minimiert und die wichtigsten Parameter für eine Transplantation übereinstimmen müssen.

Innerhalb von 25 Jahren waren Ingos Nieren auf ein Gewicht von über vier Kilogramm angewachsen. Das hatte zur Folge, dass Ingo zur Blutwäsche gehen musste: Dreimal wöchentlich wurde er in Schwenningen für jeweils siebeneinhalb Stunden zur Nacht-Dialyse an die Apparaturen gehängt. Damit wurde wenigstens ein halbwegs geordnetes Familienleben mit Ehefrau und damals sechseinhalbjährigem Sohn ermöglicht, und er konnte auch berufstätig bleiben.

Für seinen Arbeitgeber, Elektro-Technik Waldmann aus Schwenningen, war das nie ein Problem – vor der Transplantation nicht, erst recht nicht danach, und es ist heute noch keines. Im Gegenteil, seine Firma habe ihn stets außerordentlich unterstützt und großes Vertrauen gezeigt, unterstrich Ingo Armbruster.

In der Freiburger Universitätsklinik, die mit der Schwenninger Klinik eng zusammenarbeitete – was für den erfolgreichen Verlauf besonders wichtig war – wurde Wolfgang zuerst in einer zweistündigen Operation die rechte Niere entnommen, um diese Ingo in einer etwa vierstündigen Operation in den rechten Bauchraum zu implantieren.

Anschließend kamen beide auf getrennte Intensivstationen, wie sie auch danach getrennt untergebracht wurden. Das sei auch gut so gewesen, sagte Ingo. Denn während es ihm schnell gut ging und seine gespendete Niere zur Rekordform auflief – 15 Liter Flüssigkeitsdurchsatz in den ersten Stunden –, erlitt Wolfgang in der Nacht einen Rückschlag, den Ingo in seiner Verfassung nicht hätte miterleben hätte wollen, wie er sich erinnert. Es sei aber nur eine Nacht gewesen, in der es ihm so miserabel gegangen, sei relativierte Wolfgang Armbruster.

Einen Vorteil sahen und sehen Wolfgang und Ingo darin, dass sie beide Nichtraucher sind. An Beeinträchtigungen sind für den Betraer Spender lediglich die zwei jährlichen Nachuntersuchungen geblieben. Eine macht er zusammen mit seinem Bruder Ingo im Dialyse-Zentrum Schwenningen, eine in Freudenstadt.

Ingo muss alle zwei bis drei Monate zur Nachuntersuchung nach Schwenningen. Die tägliche Tabletten-Einnahme zur exakt gleichen Uhrzeit, damit das fremde Organ nicht abgestoßen wird, ist für Ingo weniger Belastung als vielmehr eine stete Erinnerung an entsprechendes Verhalten. Hierzu gehört seit vier Jahren auch das stete Eincremen der Arme bei Sonneneinstrahlung. An vorderster Stelle steht allerdings eine überall zu beachtende Hygiene, wohingegen ein gesundes Mittelmaß bei der Ernährung und beim Alkohol-Genuss ausreicht.

Beide sind ihren jeweiligen Gesellschaften als Aktive erhalten geblieben. Der Sänger Wolfgang ist eine gesangliche Stütze seines Heimatvereins und jüngst als Mitglied eines Projektchores des Chorverbandes Kniebis-Nagold für 13 Tage nach Peru geflogen, ohne jegliche gesundheitliche Probleme bekommen zu haben.

Ingo ist in der Betraer Fasnet wie Bruder Wolfgang als „Alt-Hexe“ unterwegs, außerdem vor fünf Jahren über seinen 16-jährigen Sohn zum Tischtennis gekommen und aktiver Spieler geworden.

Spektakulärer sind hingegen seine Wanderleistungen. Im örtlichen Albverein ist er Wanderführer geworden. Zweimal jährlich, geht es richtig hoch hinaus, nämlich in die Alpen zum Bergwandern. Überhaupt ist sein Reisedrang ungebrochen, wie Urlaubsorte von der Türkei über Rhodos bis Gran Canaria belegen.

Die Brüder haben vor, „schön alt zu werden“. Unbeschwert haben sie auch jüngst wieder ihr Versprechen aufleben lassen: „Auf jeden Fall werden wir an jedem Jahrestag der Spende, oder besser an meinem zweiten Geburtstag, gemeinsam etwas unternehmen.“

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Erstellt:
18.01.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 13sec
zuletzt aktualisiert: 18.01.2018, 01:00 Uhr

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