Martinilicht-Tradition

Zwiebelkuchen und Reime im Rathaus-Keller

Nach einem kurzen Laternenmarsch reimten Wachendorfer im Wanderkeller unter dem Rathaus und setzten damit eine seit 1981 gepflegte Tradition fort.

15.11.2016

Von Andreas Straub

Robert Probst mit Martini-Licht beim Wanderverein Wachendorf Bild: Straub

Robert Probst mit Martini-Licht beim Wanderverein Wachendorf Bild: Straub

Martinilicht, Martinilicht, ich leuchte dir ins Angesicht“, hieß es am Freitagabend im Clubkeller des Wandervereins Wachendorf, der sich direkt unter dem Rathaus befindet. Mit einer alten, liebevoll restaurierten Stalllaterne ging Ehrenvorsitzender Robert Probst reihum. Als Antworten gab es Bauernweisheiten wie: „Hängt’s Laub in den November rein, wird der Winter lange sein“, aber auch selbst ausgedachte Reime, gar sollen einige im Internet fündig geworden sein. Für Erheiterung sorgte Probst mit folgendem, als Inspiration gedachten Beispiel: „Das Wasser ist des Lebens Quell, sonst trocknet dir der Rettich schnell.“

Seit 1981 gibt es die Martinilicht-Tradition in Wachendorf. Probst ist von Anfang an dabei. Er hat auch den Wanderverein vor 55 Jahren mit gegründet. „Die Familie ist besonders gefragt am Martinstag“, sagte Probst. Er erzählt den jüngeren Anwesenden von früher. So hätten Knechte und Mädge am Zinstag ihren Lohn erhalten. Damals wurden noch mehr Äpfel gesammelt als heute und daraus Most gemacht.

Wenn das Kraut auf dem Herd stand und die Sau fett war, wurde geschlachtet. „Im November, wenn der kalte Winter beginnt, ist es bis ins Frühjahr noch weit“, sagte Probst. Deshalb musste man vorausplanen. Beim Metzgen wurde nebenbei gegessen, Most getrunken und viel „geschwätzt“. Ebenso wie in den vier Gasthäusern, die es im Dorf noch gab: wer ist mit wem zusammen, wer heiratet, wer bekommt ein Baby? „Die Gasthäuser waren die fröhlichsten Orte im Dorf“, erinnerte sich Probst. Da mit hungrigem Magen nicht gut Schwätzen ist, gab es beim Schlachten oft „herrliche Brotsuppe“. Doch das war einmal, genauso wie die beiden Sparkassen im Ort. „Früher konnte jeder Anleger mit ihnen und Gottes Hilfe etwas werden“, so Probst. „Heute gibt es keine Zinsen mehr, und die Sparkassen sind Geschichte.“

Dafür waren beim Martinilicht am Freitagabend einige Wachendorfer zum ersten Mal dabei, beispielsweise eine junge Familie aus Niedersachsen. Zuvor waren die rund 30 Leute erstmals mit Laternen um den Wohnblock vor dem Rathaus marschiert und hatten Martinslieder gesungen. „Wir wollten damit dem bei uns traditionellen Martinilicht ein neues Gesicht geben“, erklärte Bärbel Zug, Vorsitzende des Wanderclubs Wachendorf. Danach wurden Zwiebelkuchen und Schmalz- und Speckbrote gegessen. Erfahrene Reimer meinten: „Ein Zwiebelkuchen gut und warm, bringt in Bewegung Magen und Darm.“ Eine Jury prämierte die schönste Laterne. Basteltalent hatte Starzachs stellvertretender Bürgermeister Michael Rilling bewiesen. Mit seiner einem Marienkäfer nachempfundenen Laterne gewann er das Sieger-Vesper.