Europameisterschaft

Zwischen Hühnerhof und Handballtor

Auf Clara Woltering ruhen heute gegen Polen wieder die Hoffnungen des deutschen Teams.

08.12.2016

Von WS

Kristianstad. In Jogginghose und Turnschuhen schlurfte Clara Woltering durch die Lobby des Teamhotels und ließ sich in einen Sessel fallen. „Schlecht geschlafen“, nuschelte die deutsche Torhüterin am Mittag nach dem 20:22 gegen den Olympia-Zweiten Frankreich bei der EM in Schweden. Die unruhige Nacht musste sie schnell hinter sich lassen, die „Biegler-Ladies“ brauchen heute (18.30 Uhr/sport1.de) gegen Polen eine weitere Glanzleistung der 33-Jährigen, um die Hauptrunde zu erreichen. Woltering, mit 15 Paraden und 41 Prozent geblockten Würfen zur besten Spielerin der Partie gewählt, wollte gar nicht so sehr über sich selbst reden. Das erledigten ihre Mitspielerinnen für sie: „Wir hatten eine überragende Clara hinten drin“, lobte Rückraumspielerin Kim Naidziniavicius. Spielführerin Anna Loerper sagte, Woltering halte dem Team von Bundestrainer Michael Biegler „den Rücken frei“. Ähnlich wie beim Auftakt-Coup gegen die Niederlande zeigte die DHB-Auswahl über weite Strecken eine gute Vorstellung, am Ende fehlten nur Kleinigkeiten zum nächsten Sieg. „Der letzte Kick, der gegen die Niederlande noch da war, hat gegen Frankreich nicht geklappt“, sagte Woltering. „Wir haben aber allen gezeigt, zu was wir in der Lage sind.“

Tierischer Hauptberuf

Vier Jahre lang spielte die 33-Jährige als Vollprofi beim montenegrinischen Spitzenklub Buducnost Podgorica, gewann zweimal die Champions League. Im Sommer 2015 wechselte sie jedoch zurück in die Heimat zu Borussia Dortmund, da sie den Hof ihrer Eltern übernommen hatte. Im westfälischen Coesfeld ist sie nun Herrin über 92 000 Hühner und 250 Bullen. „Meine Eltern haben mich all die Jahre so gut unterstützt, jetzt muss ich mal etwas zurückgeben“, sagte Woltering. Es komme zwar schon mal vor, dass sie aufgrund eines unvorhergesehenen Vorfalls auf dem Hof eine Trainingseinheit verpasse, auf ihr Spiel hat das aber offenbar keine Auswirkungen. Schon vor dem Turnier hatte Woltering ihre besondere Rolle in der Mannschaft herausgestellt. „In 60 Minuten gibt es Höhen und Tiefen“, sagte sie: „Wenn meine Abwehr gerade ein Tief hat und ich in dem Moment das Hoch, wäre das natürlich die perfekte Ergänzung.“ Gegen die Niederlande und Frankreich hatte die Torhüterin jeweils eine 60-minütige Hochphase, zeigte zwei Weltklasse-Leistungen. Nun wartet Polen. Und alle hoffen, dass nicht nur Clara Woltering glänzt, sondern auch Deckung und Rückzug konstanter funktionieren. sid