Kino

Zwischen Traum und Realität

Vor 100 Jahren wurde der italienische Regisseur Federico Fellini geboren. „La dolce vita“ und mehr: Seine Werke haben ihn weltberühmt gemacht.

18.01.2020

Von EPD

Federico Fellini ließ sich seine Traumwelten aufwendig nachbauen. Foto: imago images/Mary Evans

Federico Fellini ließ sich seine Traumwelten aufwendig nachbauen. Foto: imago images/Mary Evans

Rom (epd). Der Trevi-Brunnen in Rom ist für Touristen nicht nur ein opulentes Barockkunstwerk – es ist der Ort, an dem Anita Ekberg in Federico Fellinis „La dolce vita“ nachts in einem Bad schwelgte. Und im kollektiven Gedächtnis hat sich nicht die Leere und Ödnis eingeprägt, die in „La dolce vita“ auf die rauschenden römischen Nächte folgt, sondern das sprichwörtlich gewordene süße Leben. Der Film aus dem Jahr 1959 ist heute ein Fellini-Klassiker, ebenso wie „La Strada“ (1954) mit seiner Ehefrau Giulietta Masina als zartem, rührenden Zirkusclown. Vor 100 Jahren, am 20. Januar 1920, wurde Federico Fellini als Sohn einer Römerin und eines Handlungsreisenden in Rimini geboren. Er hat Filmgeschichte geschrieben. Wenige Monate vor seinem Tod am 31. Oktober 1993 bekam er einen Oscar für sein Lebenswerk.

Die Provinzidylle seiner Heimatstadt Rimini hat er schon mit 19 Richtung Rom verlassen. Dort arbeitete er zunächst als Karikaturenzeichner und Autor für Satirezeitschriften, Radiosendungen und beim Varieté. Mit „I vitelloni („Die Müßiggänger“) setzte er Anfang 1953 der lähmenden Untätigkeit seiner heimatlichen Provinzstadt ein Denkmal. Der Film gilt vielen in Italien heute allerdings eher als Hymne auf das Faulenzen denn als Kritik an der Enge der Provinz.

Mitte der 40er Jahre wirkte Fellini am Drehbuch für Roberto Rossellinis „Rom, offene Stadt“ (1945) mit, dem wichtigsten antifaschistischen Film Italiens. Der internationale Durchbruch gelang ihm dann 1954 mit „La Strada – Das Lied der Straße“, der Giulietta Masina als traurigen Zirkusclown an der Seite von Anthony Quinn als hartherzigem Zampano weltberühmt machte. Der Begriff des „großen Zampano“ gehört seitdem auch zur deutschen Sprache. Mit Masina blieb Fellini ein Leben lang verheiratet, sie starb ein halbes Jahr nach ihm.

Während Reihen von Lastwagen mit Material für Dreharbeiten heute in Rom zum Stadtbild gehören, ließ Fellini sich einst in der Filmstadt Cinecittà seine Traumwelten nachbauen. Mit der Metrolinie A können heute auch Touristen zu den sagenumwobenen Studios am Stadtrand fahren.

Studio 5 ist nach Fellini benannt. Hier wohnte der Regisseur während der Dreharbeiten selbst. Seine Köchin erinnerte sich noch Jahre nach seinem Tod daran, wie sie auf verwilderten Wiesen am Rand von Cinecittà die als Gemüse beliebten bitteren Blätter der Wilden Zichorie für ihn sammeln musste.

Im Studio 5 erweckte Fellini seine Geschichten zum Leben, die zwischen Melancholie und Satire schwebten. Für deren wunderliche Figuren suchte er Darsteller, deren Körper von der Norm abwichen. „Fellini ist Regisseur geworden, um Gesichter und natürlich die Körper zu umgarnen und zu besitzen“, sagt der Fellini-Biograf Italo Moscati.

Heute entstehen im Studio 5 Serien. Für John Malkovich als „The New Pope“ von Paolo Sorrentino wurde in Fellinis einstigem Studio die Sixtinische Kapelle in Originalgröße nachgebaut, mitsamt einem auf Linoleum gedrucktem Marmorfußboden.

Auch Bühnenbildner Dante Ferretti erinnert sich noch gut an den legendären Regisseur: In Gesprächen beim Essen im oberen Teil des Studios habe Fellini Geschichten erzählt – und betont, dass Lügen von grundlegender Bedeutung sei.

Skurrile Gestalten

So abwegig seine Geschichten und Fantasiewelten – von „Satyricon“ bis zu „Casanova“ – scheinen, so nah bewegte Fellini sich auch an der Realität. In einem seiner letzten Filme „E la nave va“ („Schiff der Träume“) stoßen skurrile Gestalten aus der High Society 1914 beim Versuch, eine verstorbene Operndiva auf See zu bestatten, auf ein Boot mit Flüchtlingen, die vor dem beginnenden Ersten Weltkrieg fliehen.

Seine Filme schweben zwischen bizarrem Traum und Wirklichkeit. Als Kunst sah er es an, die Menschen zum Lachen bringen. Sie sei die „privilegierteste aller Berufungen, ein wenig wie die der Heiligen“, sagt er in einem Interviewbuch von Giovanni Grazzini, das zum 100. Geburtstag neu aufgelegt wird.

Berühmte Filmszene: Anita Ekberg beim Bad im Trevi-Brunnen. Foto: dpa

Berühmte Filmszene: Anita Ekberg beim Bad im Trevi-Brunnen. Foto: dpa

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Erstellt:
18.01.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 55sec
zuletzt aktualisiert: 18.01.2020, 06:00 Uhr

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