Theater
Auf ein Viertele Most mit dem Tod
Leben, Lieben, Laben: Die Narrenzunft probt „Backstoi ond Herrgotts-Bscheißerle“. Die Aufführungen sind am 28., 29. und 30. Juli, der Vorverkauf läuft.
Textsicherheit statt Tanzschritte ist seit März jeden Freitagabend in der Tanzschule Gayer angesagt: Die Schauspieler der Narrenzunft stecken mitten in den Vorbereitungen für die Aufführungen von Jürgen Hartmanns neuem Stück „Backstoi ond Herrgotts-Bscheißerle“. Die SÜDWEST PRESSE hat zwei Monate vor der Premiere eine Probe besucht.
Ein Dutzend Akteure steht oder sitzt im Kreis, in der Mitte spricht und gestikuliert Jürgen Hartmann: Der Autor des Mundartwerks spielt die Hauptrolle des Maurermeisters Ernst Leng und spickt gelegentlich aufs Manuskript.
Gerade wird die Szene vor dem Hohen Gericht des Paradieses und der Schluss geprobt. Manche der Mimen können einzelne Passagen schon recht gut auswendig. Hartmann ist zufrieden: „Der Himmel ist für heute Abend entlassen. Als nächstes proben wir die Erde“, ruft der Verfasser des Stücks, das auf Manfred Eichhorns „Das schwäbische Paradies“ beruht, dem wiederum Franz von Kobells Erzählung „Der Brandner Kaspar“ zu Grunde liegt.
Das Bühnenbild müssen die Darsteller sich vor dem geistigen Auge ausmalen, denn wegen der Städtepartnerschaftsfeier 40 Jahre Sulz-Montendre konnte die Probe noch nicht auf dem späteren Schauplatz, der Portaltreppe vor dem Backsteinbau, stattfinden.
Bei der Szene, in der Ernst Lengs Sohn Willi (Frank Stadler) ankommt, ist dies hingegen viel einfacher – „Backstoi ond Herrgotts-Bscheißerle“ spielt schließlich zu einigen Teilen auch in der Gartenwirtschaft des „Waldhorns“, und die kann man sich als Zuschauer angesichts von Tisch, Stühlen und echtem Most in Hartmanns Glas gut vorstellen. Der Maurermeister erzählt vom Bau des Backsteinbaus, derweil seine potenzielle Schwiegertochter in spe, Gretel Keck, sehnsüchtig die Ankunft ihres Freundes erwartet.
Hartmanns drittes abendfüllendes Theaterstück thematisiert die großen Themen des Lebens: Familie, Gesundheit, Liebe, Arbeit, aber auch Unklarheit des Inhabers über die Firmenübergabe an die nächste Generation – oder den Bedarf für ein Viertele Most.
Neben vielen komödiantischen Elementen zieht sich ein ernstes Thema durch das Werk: Ernst Leng soll sterben, weshalb der Maurermeister Besuch vom Boinerkarle erhält, dem personifizierten Tod. Dass das Ende seines so gern gelebten Lebens bevorstehen könnte, stimmt Leng sehr nachdenklich. Grandios ist die Szene, in der der Paradies-Verweigerer dem Boinerkarle beim Kartenspielen und wegen seines legendären Mosts 20 Lebensjahre abtrotzt – sogar der Sensenmann ist korrupt, womit das Stück dem Untertitel „eine himmlische Tragödie“ gerecht wird.
Mit reichlich Lokalkolorit gespickt ist das Werk außerdem: Der Bau des Backsteinbaus, die Buntweberei und das einstige Gasthaus „Waldhorn“ tauchen darin auf.
Die Zuschauer dürfen sich auf drei unterhaltsame Akte freuen, und auch bei den Proben wird viel gelacht, vor allem, wenn einzelne Akteure bei ihren Rollen Text dazuerfinden oder sich versprechen.
Viele Ideen gibt es auch schon für die Licht- und Geräuscheffekte. Nächste Woche werden die Kostüme besorgt, und auch der Kulissenbau beginnt in Kürze – denn anders als Ernst Leng können die Akteure bis zur Premiere keinen Aufschub aushandeln.
Mitwirkende:
Jürgen Hartmann (Ernst Leng), Frank Stadler (Willi Leng), Christian Blosl (Boinerkarle), Tamara Schneider
(Gretel Keck), Isolde Frick (Liesele Klink), Laura Kobel (Eva Maier), Frank Dietrich (Philipp Jakob Manz), Theo Schäuble (Albert Schloz), Jutta Beck (Emma Schloz), Manfred Holst
(Petrus), Anne Rebholz (Sofie Leng), Sabine Steinwand (Alma), Gudrun Kopp (Reigschmeckte), Timo Holst (Nepomuk), Albrecht Leinert (Erz-
engel Michael), Franziska Schaumann (Postengel), Sonia Ziegler (Souffleuse)