Jazz und Freiheit

Berlinale startet mit Biopic über den Gitarristen Django Reinhardt

Am Donnerstagabend sind die 67. Internationalen Filmfestspiele mit der französischen Filmbiografie „Django“ eröffnet worden. Die überzeugt jedoch eher musikalisch denn emotional.

10.02.2017

Von GITTA DIETRICH

Reda Kateb in der Titelrolle von „Django“, dem Eröffnungsfilm der Berlinale. Foto: Roger Arpajou

Reda Kateb in der Titelrolle von „Django“, dem Eröffnungsfilm der Berlinale. Foto: Roger Arpajou

Berlin. Django Reinhardt schweigt. Keine Regung. Er schweigt, als er vermessen wird: Körpergröße, Kopfumfang, Ohren – jedes Detail wird notiert. Die Hand ist verkrüppelt, „durch die Inzucht unter den Sinti“, mutmaßt ein Nazi-Arzt. Django verliert seine Fassung: Die Entstellung stamme von einem Brand in seiner Jugend. Das ist einer der wenigen Momente in Etienne Comars Erstlingswerk „Django“, in dem sein Hauptakteur die Fassade fallen lässt, Emotionen zeigt.

Sonst gab es am Donnerstagabend im Berlinale-Palast freilich durchaus Gefühle – vor reichlich Prominenz starteten die 67. Internationalen Filmfestspiele, und „Django“ hatte die Ehre, das Festival zu eröffnen.

Django Reinhardt gilt als Vorreiter des europäischen Jazz und Begründer des Gypsy Swing, als Genie auf einer Ebene mit Duke Ellington und Louis Armstrong. Seine aus der Not geborene, virtuose Spieltechnik ist legendär. Die Töne griff er lediglich mit Zeige- und Mittelfinger der Linken, das allerdings in atemberaubendem Tempo.

Der Film spielt im Jahr 1943. Reinhardt ist in jener Zeit ein Star der Place Pigalle. Jeden Abend begeistert der fein geschniegelte Django (Reda Kateb) mit seinem Swing voller Lebenslust die Pariser. Er ist extravagant und arrogant, stets fein mit Tüchlein um den Hals und einem Äffchen zum Amüsement. Während viele andere Sinti verfolgt werden und umkommen, wiegt er sich in Sicherheit. Bis Django aufgefordert wird, auf Tournee durch Deutschland zu gehen, um gegen die „Negermusik“ aus den USA anzuspielen.

Django versucht, sich herauszuwinden. Politik interessiert ihn nicht: „Es ist nicht mein Krieg, ich bin Musiker.“ Immer-wieder-Geliebte Louise (Cécile de France) hilft ihm schließlich, mit seiner schwangeren Frau (Beata Palya) und seiner Mutter (Bim Bam Merstein) unterzutauchen und an die Schweizer Grenze zu gelangen. Dort trifft er auf Familienmitglieder, lebt aus Not mit ihnen in einem Wohnwagenpark, wartet auf die Ausreise.

„Die ständige Bedrohung, seine Flucht und die fürchterlichen Gräueltaten an seiner Familie konnten ihn nicht daran hindern weiterzuspielen“, sagt Berlinale-Chef Dieter Kosslick. Für den Film wurde Djangos Musik vom vom niederländischen Gitarrenvirtuosen Stochelo Rosenberg und dessen Band neu eingespielt. Die beste Entscheidung, gilt Rosenberg doch zu recht als Lordsiegelbewahrer der Gypsy-Gitarre.

„Jazz stand für Freiheit, dafür Grenzen zu überwinden“, sagt der Regisseur. Viel Freiheit hat sich Comar auch bei seinem Werk genommen, der Lebensgeschichte mit Fiktion vermengt. „Völlig vertretbar“, wie er auf der Pressekonferenz bemerkte, doch irreführend für das Publikum. So schafft es Reinhardt in „Django“ in die Schweiz und kehrt 1945 zu einer Aufführung eines von ihm verfassten Requiems für die verfolgten Sinti nach Paris zurück. In Wirklichkeit wurde er an der Grenze zurückgewiesen, lebte anschließend unbehelligt bis zum Kriegsende in der Hauptstadt.

Djangos egoistische, mimisch unbewegte Natur macht es schwer, Mitgefühl für die Filmfigur zu entwickeln. Das Gitarrenspiel verzaubert hingegen umso mehr.

Zahlen zur Berlinale

Festival Sage und schreibe 7421 Filme wurden für die 67. Internationalen Filmfestspiele in Berlin diesmal eingereicht, 399 schafften es ins Programm, 125 davon sind von Frauen gedreht worden. Im Wettbewerb laufen 24 Filme, davon 18 im Rennen um den Goldenen und die Silbernen Bären, sechs sind „außer Konkurrenz“ zu sehen. Es gibt beim Festival insgesamt 923 Vorführungen. Die Berlinale hat einen Etat von 24 Millionen Euro. Vergangenes Jahr wurden 335 986 Karten verkauft.

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Erstellt:
10.02.2017, 08:38 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 10.02.2017, 08:38 Uhr

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