Es gilt Perspektiven zu schaffen

Bürgermeister Armin Jöchle im Gespräch über den Umgang mit Flüchtlingen

75 Flüchtlinge leben derzeit in der vorübergehenden Unterbringung in Eutingen. Hinzu kommen noch einmal zehn Asylsuchende mit zumindest zeitweisem Aufenthaltsrecht. Eine Herausforderung für die Gemeinde stellt die ungewisse, zukünftige Entwicklung dar.

04.02.2016

Von Dunja Bernhard

Im Bahnhofsgebäude sind 58 Flüchtlinge untergebracht. Archivbild: dun

Im Bahnhofsgebäude sind 58 Flüchtlinge untergebracht. Archivbild: dun

Eutingen. 75 syrische Flüchtlinge, die noch keinen Bescheid über ihren Asylantrags haben, leben derzeit in Eutingen. 58 von ihnen sind in Rohrdorf am Neuen Bahnhof untergebracht. Die anderen, darunter eine Familie mit drei Kindern, wohnen in kleineren Unterkünften in Weitingen und Eutingen. Für Flüchtlinge in der vorläufigen Unterbringung zahlt das Landratsamt die Mieten. Für die Anschlussunterbringung sind die Kommunen zuständig.

Eutingen sind derzeit zehn Flüchtlinge zugeteilt, die einen Aufenthaltsstatus haben. Sie seien jedoch nicht immer vor Ort, sagt Bürgermeister Armin Jöchle. Eine Frau sei gar nicht erst erschienen. Für Flüchtlinge in der Anschlussunterbringung gibt es keine Residenzpflicht. Allerdings können sie nur in dem Landkreis, dem sie zu geteilt sind, an Deutschkursen teilnehmen oder einen Arzt besuchen.

Für die Gemeinden mache diese Unsicherheit, wie viele Flüchtlinge tatsächlich kommen, die Planungen schwierig, sagt Jöchle. „Ob weiterhin ein Familiennachzug möglich ist oder er eingeschränkt wird, hat die Bundesregierung noch nicht entschieden.“ Bisher gehe man davon aus, dass zu einem Flüchtling, der bleiben darf, noch einmal vier dazu kommen. Jöchle rechnet mit zwanzig bis achtzig Personen, die 2016 in Eutingen von der Verwaltung untergebracht werden müssen.

Im Sommer 2015 gründete sich der Arbeitskreis Asyl. Rund zwei Dutzend Eutinger engagieren sich seither in der Flüchtlingshilfe. Sie geben den Flüchtlingen Einblicke in Umgebung und Gesellschaft, sagt der Bürgermeister. „Die Helfer kümmern sich um viele kleine Dinge.“ Der geplante Deutschkurs war zwar nicht notwendig. Die Syrer fahren nach Horb ins Hermann-Hesse-Kolleg, um Deutsch zu lernen. Wenn jedoch Fragen offen bleiben, helfen die Eutinger weiter.

Für die Wohnungen, in denen die Asylsuchenden untergebracht sind, übernahmen Arbeitskreisler Patenschaften. Sie sind Ansprechpartner und unterstützen die Bewohner in alltäglichen Dingen. Dazu gehört auch die Mülltrennung. Die persönlichen Kontakte gehen so weit, dass Eutinger und Flüchtlinge gemeinsam Veranstaltungen der Vereine besuchen. Zu nahezu jedem Flüchtling bestehe ein guter Kontakt, berichtet Jöchle. Bei vielen Flüchtlingen sei herauszuhören, dass sie sich vorstellen können, nach einem positiven Bescheid ihres Asylantrags, in Eutingen zu bleiben. „Sie wissen, wenn jetzt schon so weit geholfen wird, dass das bei der Arbeits- und Wohnungssuche auch so bleiben wird.“

Als Flüchtlingskoordinator und Dolmetscher stellte die Gemeinde Patrus Lazar auf einer 450-Euro-Stelle an. Er bietet montags und donnerstags von 10 bis 12 Uhr eine Sprechstunde im Rathaus an. Dieses Angebot werde sehr gut angenommen, erzählt Jöchle.

Um die Ehrenamtlichen weiter zu entlasten, soll ab April zusätzlich eine halbe Stelle für Flüchtlingsangelegenheiten im Rathaus geschaffen werden. Sie soll durch Umstrukturierungen besetzt werden. Die Mitarbeiterin soll auch für die Suche von Wohnraum und Arbeitsplätzen für die Flüchtlinge zuständig sein.

Bisher stellt die Gemeinde Eutingen zehn Plätze für die Anschlussunterbringung zur Verfügung. Zehn weitere könnten „mit überschaubarem Aufwand“ geschaffen werden. In Rohrdorf hat die Gemeinde ein Haus gekauft, das „in zwei bis drei Monaten für die Unterbringung von Flüchtlingen hergerichtet werden kann“. Mit vier weiteren Hauseigentümern verhandelt die Verwaltung über Wohnungskäufe oder -anmietungen. Einen „Geldbetrag X“ will der Bürgermeister dafür noch in den Haushalt 2016 einstellen. Jöchle ist zuversichtlich, so 20 bis 30 weitere Personen unterbringen zu können.

Den Flüchtlingen, die bleiben dürfen, möchte Jöchle eine Perspektive bieten. Neben dem sozialen Umfeld sei eine Beschäftigung ein wesentlicher Baustein für Integration, sagt er. In Steckbriefen werde abgefragt, was die Asylsuchenden bisher gemacht haben und wo ihre Interessen liegen. „So bekommen wir einen Eindruck von der Person.“ Mit diesen Informationen können dann gezielt Firmen und Unternehmen in der Umgebung angesprochen werden.

„Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe.“ Die Verwaltung könne das nicht allein stemmen. Die ganze Bürgerschaft sei aufgerufen. „Die schaffen ja irgendwo, vielleicht auch in einer Personalabteilung“, sinniert er. Da brauche es Unternehmer, die dahinter stehen.

Bei der Unterbringung und der Betreuung von Flüchtlingen geht die Gemeinde zunächst in Vorleistung. Wie die Kosten hinterher abgerechnet werden können, werde man sehen. „Wir hoffen, irgendwem die Rechnung schicken zu können.“ Sonst müsse man sich damit trösten, dass alle Teil der Gesellschaft seien. „Das Hauptgeschäft der Integration machen die Kommunen und die Bürger vor Ort.“

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Erstellt:
04.02.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 04.02.2016, 01:00 Uhr

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