Oscar

Der Griff nach Gold

Kann „Toni Erdmann“ den Preis aller Preise gewinnen? Wird „La La Land“ abräumen? Gebannt schaut die Filmbranche nach Los Angeles.

24.02.2017

Von MAGDI ABOUL-KHEIR

Mit solch einem Schoko-Oscar lassen sich die Gewinner am Sonntag nicht abspeisen. Foto: dpa

Mit solch einem Schoko-Oscar lassen sich die Gewinner am Sonntag nicht abspeisen. Foto: dpa

Los Angeles. Andere drängen sich vor jede Kamera, sprechen in jedes Mikro, setzen sich in jede Talkshow. Maren Ade ist nicht wie andere. Die deutsche Regisseurin kann sich Hoffnungen machen, mit ihrer Tragikomödie „Toni Erdmann“ am Sonntagabend im Dolby Theatre am Hollywood Boulevard von Los Angeles den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film zu gewinnen. Dennoch zieht sie nicht so werbend durchs US-Showbiz, wie das viele Oscar-Kandidaten tun.

Zum einen ist die 40-Jährige sowieso keine, die sich in den Vordergrund drängt. Zum anderen weiß sie, dass die Aussagekraft von Preisen, so glamourös sie auch sein mögen, begrenzt ist. „Toni Erdmann“ dürfte ohnehin seinen Platz in der Filmgeschichte sicher haben.

Vielleicht ahnt die gebürtige Karlsruherin auch, dass sich am Sonntagabend Geschichte wiederholen könnte. Bereits im Mai galt ihr Film beim Festival in Cannes nach einer umjubelten Premiere als Favorit auf die Goldene Palme – um leer auszugehen. Ade & Co. räumten dann sieben Europäische Filmpreise und zahlreiche andere Auszeichnungen ab, bei den Golden Globes aber herrschte erneut Katerstimmung. Und auch wenn Ade bis vor zwei Wochen als klare Oscar-Favoritin galt, könnte sie nun erneut mit leeren Händen dastehen.

Trump wäre Schuld

Hintergrund ist der politische Diskurs in den USA. In Folge von Präsident Trumps Muslim-Bann wird der iranische Regisseur Asgar Farhani nicht zur Oscar-Gala anreisen, und die Academy könnte seinen Film „The Salesman“ auszeichnen: ein politisches Symbol. Bei den Buchmachern liegt er nun gleichauf mit Maren Ade.

Kaum Chancen dürften die anderen beiden nominierten Deutschen haben. Marcel Mettelsiefen ist mit seiner Flüchtlings-Doku „Watani: My Homeland“ Anwärter in der Sparte „Kurz-Dokumentarfilm“. Auf den roten Teppich soll ihn die vierfache Mutter Hala, deren Mann von der Terrormiliz IS entführt wurde, begleiten. „Dieser Film ist wichtig, gerade jetzt zu Zeiten von Trump“, sagt der Regisseur, der eine politische Veranstaltung erwartet.

Der dritte Deutsche im Oscar- Bunde ist Komponist Volker Bertelmann alias Hauschka. Doch just in der Filmmusik-Kategorie dürfte der Düsseldorfer mit seinem Soundtrack zum Drama „Lion“ chancenlos sein. Denn da tritt er gegen den Überflieger der Filmpreis-Saison an: „La La Land“. Dass das Musical ausgerechnet in der Musik-Sparte leer ausgehen könnte, scheint ein Ding der Unmöglichkeit.

Überhaupt ist nur die Frage, in welchem Ausmaß „La La Land“ abräumen wird. Für 14 Oscars ist der Film nominiert, 13 könnte er gewinnen (er ist zweimal für den besten Song nominiert), dass es zehn werden, scheint realistisch.

Die Oscars sind immer für Überraschungen gut, doch durch die lange Filmpreis-Saison und die Auszeichnungen der einzelnen Gilden lassen sich in den meisten Kategorien recht präzise Vorhersagen treffen.

Also: „La La Land“ wird bester Film, alles andere wäre eine Sensation. Zudem wird der 32-jährige Damien Chazelle als jüngster Filmemacher überhaupt den Regie-Oscar erhalten und Emma Stone als Hauptdarstellerin geehrt. Wahrscheinlich werden auch die Oscars für Schnitt, Kamera, Kostüme und Ausstattung an „La La Land“ gehen. Und Komponist Justin Hurwitz wird gleich mit zwei Gold-Statuen (Filmmusik, Song „City of Stars“) nach Hause stolzieren. Möglich sind außerdem die Oscars für Ton (größter Konkurrent: „Arrival“) und Toneffekte (Konkurrent: „Hacksaw Ridge“).

Doch noch Spannung

Spannend sind die Drehbuch- Preise, weil es mit „Original“ und „Adaption“ zwei Kategorien gibt und die Academy hier gern herausragende Filme auszeichnet, die sonst völlig übergangen würden. Gut möglich also, dass Chazelle nicht für sein Original-Drehbuch von „La La Land“ geehrt wird, sondern Kenneth Lonergan für sein hochgelobtes Familien- und Trauerdrama „Manchester by the Sea“, das insgesamt auf sechs Nominierungen kommt.

Die Kategorie „Adaptiertes Drehbuch“ ist noch offener: Barry Jenkins könnte für sein gefeiertes, insgesamt achtmal nominiertes Adoleszenz-Drama „Moonlight“ ausgezeichnet werden, aber der Science-Fiction-Streifen „Arrival“ ist ein weiterer famos geschriebener Film (ebenso acht Nominierungen). Doch auch die drei anderen Kandidaten – „Lion“, „Hidden Figures“, „Fences“ – könnten zum Zuge kommen.

Die kniffligste Frage in diesem Jahr ist, wer bester Hauptdarsteller wird. Ein Sieg von Casey Affleck für „Manchester by the Sea“ galt lange als ausgemacht, doch nach einem schwachen Oscar- Werbezug und einer Kampagne gegen Affleck (es ging um alte, längst beigelegte Vorwürfe wegen sexueller Belästigung) könnte nun Denzel Washington für die Theater-Adaption „Fences“ den Oscar in Empfang nehmen – es wäre schon sein dritter. „La La Land“-Star Ryan Gosling gilt in der Kategorie als chancenlos.

Unter den Nebendarstellern liegt Mahershala Ali („Moonlight“) vorn, aber Dev Patel („Lion“), Jeff Bridges („Hell and High Water“) und Lucas Hedges („Manchester by the Sea“) sind nicht abzuschreiben. Dass Octavia Spencer („Fences“) als beste Nebendarstellerin gewinnt, steht eigentlich außer Zweifel.

Aber gewiss ist nichts, bis Sonntagnacht (live ab 2.30 Uhr auf Pro 7) der Umschlag geöffnet wird und der Satz „And the Oscar goes to?.?.?.“ erklingt.

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Erstellt:
24.02.2017, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 27sec
zuletzt aktualisiert: 24.02.2017, 06:00 Uhr

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