Bundestagswahl

Der Weg wird ein langer sein

CDU, FDP und Grüne würde es für eine Jamaika-Koalition reichen. Begeisterung sieht anders aus.

26.09.2017

Von Kathrin Löffler, Dagmar Stepper und Fabian Schäfer

Die Wähler haben entschieden. Jetzt müssen sich die Parteien zusammenraufen und nach möglichen Partnern suchen. Bild: Braun

Die Wähler haben entschieden. Jetzt müssen sich die Parteien zusammenraufen und nach möglichen Partnern suchen. Bild: Braun

Stünde Hans-Joachim Fuchtel repräsentativ für die CDU, fände nun keine Debatte über eine mögliche Jamaika-Koalition statt: 43,3 Prozent der Wahlberechtigten im Wahlkreis Calw-Freudenstadt stimmten für ihn. Das sind rund zehn Prozent mehr Unionsanhänger als im Bundesschnitt – aber auch rund 15 Prozent weniger, als er vor vier Jahren bekam. Fuchtel führt dieses für ihn „ernüchternde“ Ergebnis auch darauf zurück, dass die Wähler ihre Stimmen seltener splitteten. AfD und FDP hätten häufig sowohl Erst- als auch Zweitstimme bekommen.

Nachdem die SPD um Martin Schulz bereits rasch einen Rückzieher aus der Regierungsverantwortung gemacht hat, scheint nun am wahrscheinlichsten, dass Union, FDP und Grüne eine sogenannte Jamaika-Koalition austarieren. Fuchtel formuliert Ansprüche, mit denen CDU und CSU in die Verhandlungen gehen sollten: Im Koalitionsvertrag möchte er fixiert sehen, dass bis 2025 Vollbeschäftigung angestrebt wird, Digitalisierierungsfragen beschleunigt geklärt und deutliche Akzente beim Thema Innere Sicherheit gesetzt werden.

Dass aber Union und Grüne unisono Flüchtlingspolitik betreiben, scheint für ihre Stammklientel wie für Beobachter momentan schwer vorstellbar. Fuchtel: „Von den Grünen möchte ich als Allererstes, dass sie die Zahl der sicheren Drittstaaten ausweiten.“

Besteht allerdings in so einem Regierungspartnerkonstrukt nicht die Gefahr, dass die Union aus Sicht ihrer mehr traditionsorientierten Anhänger völlig entkonservatisiert wird? „Die Union tut gut daran, dass sie ihren Wertekern als deutliches Markenzeichen einbringt“, sagt Fuchtel. Beispielhaft nennt er eine „konsequente Rückführungspolitik“.

Den Charme des Innovativen mag er in einem Jamaika-Bündnis noch nicht recht erkennen. Drei Partner seien schwieriger zusammenzuhalten als zwei, die mangelnde Erfahrung in so einer Konstellation auf Bundesebene sowie die weltpolitisch heikle Lage kommen für ihn erschwerend hinzu.

Allerdings: Bei einer schwarz-gelb-grünen Koalition wäre mit der FDP zumindest schon ein Wunschpartner Fuchtels mehr an der Seite der Union als in einer Regierung mit den Genossen. „Das trifft zu“, sagt Fuchtel. Was die Bereiche Wirtschaft, Forschung und Bildung anbelangt, kann er an dieser Idee durchaus Gefallen finden.

Michael Theurer hat einen Marathon-Wahlsonntag hinter sich. Als Spitzenkandidat der baden-württembergischen Liberalen hat er ein Spitzenergebnis eingeholt und seinen Beitrag geleistet, dass die FDP wieder nach vier Jahren Vakanz im Bundestag vertreten ist. Unzählige Hände hat er geschüttelt, er saß in etlichen Talkshows, am gestrigen Montag war Fraktionssitzung. Viel Zeit hat er am Telefon daher nicht, ein paar Minuten nimmt er sich aber schon. Auch wenn im Hintergrund bereits zum nächsten Termin gedrängelt wird. „Es ist ein toller Team-Erfolg, wir freuen uns sehr über den historischen Wahlerfolg“, sagt er. Zu einer möglichen Jamaika-Koalition sagt er indessen wenig. „Der Ball liegt nicht bei uns, sondern bei Frau Merkel“, viel mehr lässt er sich nicht entlocken. Außer: „Sollte man uns zu Sondierungsgesprächen einladen, werden wir uns nicht verweigern.“ Theurer betont aber auch, dass es nicht um Macht, sondern um Inhalte geht: „Wir streben nicht um jeden Preis in eine Regierung.“

Auch zu den Spekulationen über ein mögliches Amt in der nächsten Regierung hält er sich zurück. „Über ein Ministeramt äußere ich mich nicht. Ich werde übrigens auch als stellvertretender Fraktionsvorsitzender gehandelt.“ Die Gespräche in den kommenden Tagen und Wochen werden es klären. Für Theurer ist es allerdings nicht die Frage um die Person, sondern was gut sei für das Land. Das zählt für ihn vor allem.

„In einem möglichen Dreierbündnis als schwächste Kraft zu agieren, behindert uns natürlich ein bisschen in unserem Tun“, erklärt Andreas Kubesch, Bundestags-Kandidat für die Grünen, der es nicht nach Berlin geschafft hat. Zu einer möglichen Jamaika-Koalition meint Kubesch: „Weitere Möglichkeiten gibt es ja nicht, wenn die SPD in die Opposition geht. Dann wäre es aber natürlich schön gewesen, vor der FDP zu liegen.“ Wenn die Anfrage an die Grünen herangetragen würde, werde man aber selbstverständlich mitreden und Verantwortung übernehmen. Auch Kristina Sauter, ehemalige Horber Gemeinderätin für die Offene Grüne Liste, meint: „Mit der Jamaika-Koalition fängt die Arbeit erst an. Entscheidend ist: Wie viel können die Grünen von ihren Zielen einbringen? Ich hoffe, sie kämpfen bis zum letzten Mann.“ Eben das habe Katrin Göring-Eckardt, Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, aber bereits am Wahlabend angekündigt. „Natürlich wäre es viel besser gewesen, wenn wir mehr Stimmen als die FDP erhalten hätten. Denn gerade bei unseren Hauptthemen Klima, Europa und soziale Gerechtigkeit haben wir ja beinahe gegensätzliche Ansichten wie die FDP“, erklärt Sauter. Man werde sehen müssen, was dabei herauskommt.

Hans-Joachim Fuchtel musste eine Niederlage einstecken. Bilder: Kuball

Hans-Joachim Fuchtel musste eine Niederlage einstecken. Bilder: Kuball

Michael Theurer ist jetzt ein gefragter Mann. Bilder: Kuball

Michael Theurer ist jetzt ein gefragter Mann. Bilder: Kuball

Andreas Kubesch hatte zwar keine Chancen für ein Mandat, aber viel Elan beim Wahlkampf. Bilder: Kuball

Andreas Kubesch hatte zwar keine Chancen für ein Mandat, aber viel Elan beim Wahlkampf. Bilder: Kuball

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Erstellt:
26.09.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 16sec
zuletzt aktualisiert: 26.09.2017, 01:00 Uhr

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