Empfingen war für drei Tage Mittelpunkt der Welt, sofern man diese auf die hohenzollerische Fasnet einschränkt. Furios mit der Saiwaldsause am Freitag gestartet, entfalteten die zahlreichen Narrenzünfte ein buntes Kaleidoskop der sonst schwarz-weißen preußischen Farben.

Der Nachtumzug in Empfingen

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Bis in die äußersten Ecken der Georgstube drückten sich am Samstag die Zunftmeister der 26 Gastzünfte, die sich am hohenzollerischen Nachtumzug beteiligten. Mit allen Insignien ihrer Würde ausgestattet, seien es historische Uniformen, Anlehnungen an handwerkliche Kleidung, venezianisch anmutende Pierrots, Lumpenclowns bis zur herrschaftlichen Robe repräsentierten die Vertreter das Brauchtum ihrer Heimatorte.

Freundschaftliche Bande verschafften dem Treffen ein internationales Flair, denn außer aus Freiburg und Nürnberg hatten sich die Amraser Matschgerer aus Österreich und die Kurenti aus dem slowenischen Ptuj angesagt, die mit ihren ungewohnten Bräuchen den Abend bereicherten.

Zunftmeister Thomas „Lufti“ Joachim begann seine Begrüßung zum närrischen Jubiläum der 66 Jahre alten Narrenzunft mit dem obligatorischen Hohenzollernlied, das alle aus voller Brust in inniger Verbundenheit zum Heimatland schmetterten.

Er gab jedem seiner Zunftmeister-Kollegen ausgiebig Gelegenheit, die Eigenarten seiner Zunft und die geschichtlichen Beziehungen zu den Fasnetsfiguren zu erklären. Zum Zeichen der Freundschaft übten sich alle in den einzelnen Rufen, so unverständlich sie den Unvertrauten auch erschienen. Zum Andenken an dieses denkwürdige Treffen erhielten sie als Orden den letzten Entwurf des langjährigen Ehrennarrenmeisters und stellvertretenden Vorsitzenden der Südwestdeutschen Narrenvereinigung, Paul Teike. Als eindeutig nachteilig wirkte sich die beinahe ausschließliche männliche Besetzung der Vorstandsposten für Joachim aus, denn er hatte sich das Vorrecht ausbedungen, alle weiblichen Vertreterinnen zu küssen.

Agnes Graf-Thin in einem rot-weißen Pierrot-Kostüm steckend, beschrieb Heilsbronn bei Nürnberg als nicht weniger Hohenzollern-verbunden als das in Sichtweise des „steilen Felsens“ gelegene Empfingen, beherberge ihre Stadt doch die Grablege der fränkischen Hohenzollern. Als Gastgeschenk brachte sie eine auf eine Kabelrolle aufgespulte Nürnberger Bratwurst.

An den Prominenten-Empfang schloss sich das in Empfingen traditionell überlieferte Hexenwasserbrauen an. Durch das Spalier der Hexenbesen schritten die Hexen zum großen Kessel, um aus dem Wasser der örtlichen Brunnen einen Trank zu zaubern, der angeblich Vergreisung verhindern, Verdauung fördern und auch die Fortpflanzung sichern soll. Dicht gedrängt über die ganze Breite der Mühlheimer Straße verfolgten die Zuschauer die magische Handlung.

Zu den Klängen der steirischen Harmonika zogen zwei Amraser Matschgerer vor das Rathaus und ließen ihre Peitschen knallen, die denen der Empfinger Kneller an Länge weit überlegen sind, so dass die Besucher vor den knallenden Enden furchtsam zurückwichen.

Nach ihren strengen Regeln zogen die Larfenträger in der Reihenfolge ein: „der Bujatzl“, „der Herr“, „die Hexen“ , „der Kurz“ , „der Zaggaler“ (am Hut Gams oder Goasfell, schwarze u. weiße Gigglfedern), „der Zottler“ (am Hut weißes Schaffell und Greifvogel).

Der ungewohnte Anblick erschreckte manche Kinder, die aber mit Bonbons wieder schnell an das Geschehen gelockt wurden. Auf ihre Tiroler Art legten sie Schuhplatter, Kreistanz und Sprünge mit Juchzern auf den Vorplatz. Der Bär trieb mit seinem Treiber Schabernack nach Belieben. Nach ihrer Sitte griffen sich die Matschgerer Tanzpartnerinnen zum Walzer und legten danach ihre Masken ab, damit die adretten Burschen auch richtig erkennbar wurden.

Die Umzugsteilnehmer hatten ihre liebe Mühe, durch das Gedränge zum Weiherplatz zu gelangen, wo der Nachtumzug pünktlich startete. Angeführt von dem Glatter Schlossherrenpaar, gewandet in der Mode des 13. Jahrhunderts, wie sie die Herren von Neuneck trug, zogen in geordneten Formationen die 26 Narrenzünfte durch Empfingen. Wenn auch die Dunkelheit die prächtigen Farben kaum zur Wirkung kommen ließ, so zeigten doch die einzelnen Gruppen die reiche Vielfalt der Fasnet mit grausigen oder freundlichen Gesichtern oder fantasiereichen Tierköpfen. Mehrstufige Pyramiden riefen mehrfach begeisterten Jubel unter den am Straßenrand Stehenden hervor. Noch mehr erfreuten sich die vielen mitziehenden Kapellen der Zustimmung, sorgten sie doch mit ihren aufpeitschenden Rhythmen für leichte Aufwärmübungen. Den Abschluss bildeten die Feifer aus Feldhausen, die die Erinnerung wach halten, dass ihrem notleidenden Ort die Abgabe des Zehnten halbiert wurde.

In der berstend vollen Tälesee-Halle heizten die „Lausbuba“ die Stimmung zum Siedepunkt ein, Ballett-Ratten wirbelten über die Bühne. Aus tausenden Kehlen erklang das Hohenzollernlied, inbrünstiger als jemals die Nationalhymne gesungen wird. Zu später Stunde trieben die Amraser erneut den Winter aus und die Besucher zur Ekstase. In seiner Mitternachtsshow zeigte das Empfinger Hofballett mit Rock ’n’ Roll und akrobatischen Einlagen seine faszinierende fliegende Pyramide, dass den Besuchern schwindelig wurde.

Wer immer noch nicht genug hatte, fand im Festzelt harte, vor allem aber laute Disco-Musik, die bis weit in den Ortskern zu vernehmen war.