Tübingen

Französische Filmtage: Das Geschäft mit der Sehnsucht

Die 40. Ausgabe der frankophonen Filmschau hat zum Jubiläum den Schwerpunkt Frankreich. Als Stargast wird die Schauspielerin Emmanuelle Devos erwartet.

21.09.2023

Von Dorothee Hermann

Emmanuelle Devos als erfolgsverwöhnte Duftdesignerin Anne, deren Geruchssinn plötzlich Aussetzer hat. Bild: Les Pyramides

Emmanuelle Devos als erfolgsverwöhnte Duftdesignerin Anne, deren Geruchssinn plötzlich Aussetzer hat. Bild: Les Pyramides

In „Parfum des Lebens“ war sie die arrogante Duftdesignerin in der Krise, der ein Chauffeur mit Riechtalent aus der Patsche helfen soll. Nun wird die französische Schauspielerin Emmanuelle Devos („Violette“, „Das Leben ist seltsam“), ein richtiger Star, die Französischen Filmtage bereichern. Sie wird mit einer sechsteiligen Retrospektive gewürdigt. „Dass sie nach Tübingen kommt, ist wirklich unglaublich“, so Filmtageleiter Christopher Buchholz.

Zum 40-jährigen Bestehen soll der Fokus Frankreich auf „Licht und Schatten“ dort eingehen. Zurück in den Zweiten Weltkrieg führt ein Spielfilm über den späteren Staatspräsidenten Charles de Gaulle, der mit seiner Panzerdivision Wehrmachtskolonnen stoppte und später aus dem Londoner Exil die Franzosen in der BBC zum Widerstand aufrief.

Charismatische Protagonistin der Dokumentation „Les Filles de l’escadron bleu“ ist die Ärztin Madeleine Pauliac, die während des Krieges mit anderen jungen Französinnen versuchte, unter Lebensgefahr Landsleute aus dem kriegsverwüsteten Mitteleuropa herauszuholen. In ihrem provisorischen Krankenhaus in Warschau nahmen sie KZ-Überlebende und Franzosen aus polnischen und sowjetischen Hospitalen auf. Regisseur Philippe Maynal ist der Neffe von Madeleine Pauliac und ebenfalls Festivalgast. 2020 war pandemiebedingt nur eine Online-Premiere möglich.

Erschütternde Zeugnisse zur Shoah hat Regisseur Jérôme Prieur für den Dokumentarfilm „Les Suppliques“ zusammengetragen: Tausende von Briefen verfolgter Juden oder deren Angehöriger, die sich hilfesuchend (aber vergeblich) an die mit den Nazis kollaborierende Regierung Pétain wandten. Der Filmemacher wird gleichfalls in Tübingen erwartet.

Für die vier Jahrzehnte Filmtage-Geschichte hat Programm-Manager Hasan Ugur vier Produktionen ausgewählt: Im Drama „Sans toit ni loi“ („Vogelfrei“, 1985) von Agnès Varda zieht eine Landstreicherin (Sandrine Bonnaire) im Winter durch das ländliche Südfrankreich, weil sie einfach frei sein will. Das Drama „Bezness – Das Geschäft mit der Sehnsucht“ (1991) thematisiert Prostitution als Form des Kolonialismus: ein Tunesier, der Touristinnen befriedigt, sieht seine eigenen Träume von Wohlstand und Zukunft zerstieben. Als Wohlfühlfilm ist die Romantik-Komödie „L’auberge espagnole“ (2002) von Cédric Klapisch dabei, mit Romain Duris, Audrey Tautou und Cécile de France. Im Drama „Tomboy“ (2011) von Céline Sciamma stellt sich die zehnjährige Laure (Zoé Héran) am neuen Wohnort ihrer Familie anderen Kindern gegenüber als Junge vor.

Der Kurzfilmwettbewerb für Kinder und Heranwachsende von zehn bis 20 Jahren hat in diesem Jahr das Motto „Ziemlich beste Geschwister?!“ Filme von maximal fünf Minuten Länge können bis spätestens 16. Oktober eingereicht werden. Sie werden im Kino Museum vorgestellt und prämiert (Samstag, 4. November, 13.30 Uhr). Es gibt auch ein Gespräch mit den Jugendlichen über deutsch-französische Freundschaft (weitere Infos unter filmtage-tuebingen.de).

Ob das Tübinger Kino Arsenal nun doch als Vorführort für das Festival zur Verfügung steht, ist noch offen. Es laufen Gespräche über die 18.30-Uhr- und 20.30- Uhr-Schiene. Festivalkneipe ist das „Freistil“ (vormals „Casino“), wo diesmal auch die Kurzfilmreihen gezeigt werden. Das komplette Filmtageprogramm soll Anfang Oktober online verfügbar sein.

Doppeltes Kinokonzert mit Buster Keaton

Das Cinéconcert bringt die Komödie „Three Ages“, in der ein schwächlicher Buster Keaton gegen einen stärkeren Konkurrenten um seine schöne Geliebte kämpfen muss: in der Steinzeit, im antiken Rom und in den USA der 1920er-Jahre. Den Live-Sound zur nachkolorierten Fassung macht Jean-Yves Leloup vom französischen Duo Radiomentale (Sparkassen-Carré, Freitag, 3. November, 20 Uhr. Kamino Reutlingen, Samstag, 4. November, 16 Uhr). Französische Filmmusik präsentiert die Württembergische Philharmonie Reutlingen (Stadthalle Reutlingen, Donnerstag, 26. Oktober, 20 Uhr).

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Erstellt:
21.09.2023, 19:57 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 21.09.2023, 19:57 Uhr

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