Stein des Anstoßes

Geht Fairtrade mit Granit aus China zusammen?

Darf eine Fairtrade-Stadt bei Bauprojekten chinesischen Granit verwenden? Mit dieser Frage eines aufmerksamen Bürgers schlägt sich derzeit die Rottenburger Bauverwaltung herum.

29.07.2016

Von Ulrich Eisele

Chinesischer Granit für Randsteine rund um die Seniorenwohngruppe mit Bürgertreff im Kiebinger UnterdorfBild: Eisele

Chinesischer Granit für Randsteine rund um die Seniorenwohngruppe mit Bürgertreff im Kiebinger UnterdorfBild: Eisele

Rottenburg. Vor etlichen Tagen bekam Oberbürgermeister Stephan Neher eine E-Mail vom Berthold Biesinger: Es sei schon traurig, klagte der ehemals für die Stadt tätige Landschaftsgärtner, dass Rottenburg sich rühme, erste Fair-Trade-Stadt Baden-Württembergs zu sein und dennoch – „trotz eines Gemeinderatsbeschlusses Natursteine aus China“ verwende. Solche hatte der rüstige Rentner nämlich mit Kennerblick bei einem Rundgang in Kiebingen entdeckt – auf der Baustelle für den Bürgertreff im Unterdorf. Der Baufirma kann man laut Biesinger keinen Vorwurf machen, da in der Ausschreibung nichts von einem Verbot chinesischer Steine stand.

Ja, bestätigte Baubürgermeister Thomas Weigel der „Rottenburger Post“ gestern auf Anfrage: Für Randsteine und Rinnen rund um die Seniorenwohngruppe verwende die beauftragte Baufirma „eine kleine Menge chinesischen Granits“. Bei derart kleinen Mengen lasse die Stadt den Auftragnehmern freie Hand bei der Bestellung, verlange aber Zertifikate, dass die Steine nicht aus Kinderarbeit stammen. Zu den in Kiebingen verwendeten Steinen liege ihm ein vierseitiger Prüfbericht des TÜVs Rheinland vor, dass die Arbeitsbedingungen in dem namentlich bekannten chinesischen Steinbruch „in Ordnung“ seien und es dort keine Kinderarbeit gebe.

„Man kann natürlich fragen, ob es ökologisch sinnvoll ist, Steine aus China herzukarren“, räumte Weigel selbstkritisch ein. Doch vermeidbar sei dies kaum „in einer globalisierten Welt“. Auch Laptops und Kleidung kommen aus China. Bei größeren Aufträgen, etwa bei der Pflasterung eines ganzen Platzes, schreibe die Stadt genau Farbe und Maserungen der Steine vor, so dass nur solche aus ganz bestimmten Steinbrüchen in Europa in Frage kommen.

Chinesische Steine generell ausschließen könne man nicht, da öffentliche Aufträge „diskriminierungsfrei“ ausgeschrieben werden müssten. Der Verwaltungsgerichtshof habe kürzlich eine Friedhofssatzung aufgehoben, in der chinesische Grabsteine verboten waren.

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Erstellt:
29.07.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 29.07.2016, 01:00 Uhr

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