Wirtschaft im Profil • Generation Z

Immer langes Wochenende

Die Arbeitstage sind länger, die Woche kürzer: Die Mössinger Zimmerei Geiger zeigt wie sie mit einer Vier-Tage-Woche für die Generation Z attraktiver wird. Jochen Geiger, Chef in der fünften Generation, begann damit, den Bewerbungsprozess umzudrehen und fragte sich: Was kann ich als Unternehmen verändern, um für diese Gruppe attraktiv zu werden.

16.06.2023

Von Mario Beißwenger

Das Team der Mössinger Zimmerei Geiger wuchs nach Einführung der 4-Tage-Woche. Auf dem Bild schalen (von links) Vincent Kalich, Jochen Geiger und Victor Schmidt in der Dußlinger Robert-Wörner-Straße ein Dach ein.

Das Team der Mössinger Zimmerei Geiger wuchs nach Einführung der 4-Tage-Woche. Auf dem Bild schalen (von links) Vincent Kalich, Jochen Geiger und Victor Schmidt in der Dußlinger Robert-Wörner-Straße ein Dach ein.

Seit Oktober 2022 hat Jochen Geiger, 48, in seinem Mössinger Zimmereibetrieb die Vier-Tage-Woche eingeführt. Ein dreiviertel Jahr später hat er genau das erreicht, was er mit der Umorganisation erreichen wollte: „Junge motivierte Leute für das Handwerk begeistern.“ Drei Mitarbeiter kamen dieses Jahr in seinen Betrieb und einen Azubi hat er im Herbst auch wieder.

Geiger führt den Betrieb in der fünften Generation. Tradition trägt er aber nicht vor sich her: „Das Handwerk hat verschlafen, sich modern aufzustellen.“ Ein Punkt, den er kritisiert, ist die Ansage: „Die Leute haben sich dem Geschäft anpassen müssen.“

Gesellschaft und Mitarbeiter hätten sich gewandelt. Es gebe dafür ja Begriffe wie Work-Life-Balance oder Beschreibungen der Generation Z, sagt der Zimmermeister. Also müsse sich auch das Handwerk darauf einstellen. Hauptzielpunkt seiner Umstrukturierung sei gewesen, junge Leute zu erreichen. Er habe sich im Unterschied zu früher gefragt: „Was kann ich als Unternehmen verändern“, um für diese Gruppe attraktiv zu werden.

Ein Anlass war, dass er vergangenen Herbst keinen Azubi fand. Bisher gelang das immer und die Person, die er schon im Auge hatte, hat nun auch zugesagt. Mitarbeiter-Gewinnung, ist der Schlüssel für jedes Unternehmen. Das ist eine Binsenweisheit. Oder in Geigers Worten: „Ohne Mitarbeiter können wir gar nichts anfangen.“

Seine Zimmerei ist ein kleines Unternehmen mit klassischem Angebot: Neubau, Altbau, Carports, Dachfenster, Gauben, Fassaden. Geiger hatte im Dezember noch drei Beschäftigte. Er arbeitet selbst mit auf der Baustelle. Seine Frau Sibylle macht das Büro.

Im Frühjahr kamen zwei ausgelernte Zimmerer dazu, nun noch ein Azubi in der Schlussphase seiner Ausbildung. Die neuen Leute seien direktes Ergebnis seines Angebots einer 4-Tage-Woche. Das Konzept habe er erst mit seiner Frau besprochen, dann seine Mitarbeiter gefragt.

„Die haben sich sofort damit angefreundet.“ Seit 2019 haben sie eine 4,5-Tage-Woche eingeführt, seit Oktober nun die vier Tage. Dass sein Team gleich mitging, führt er darauf zurück, dass es eine junge Mannschaft ist und er als Chef nicht zwischen traditionellen Vorstellungen und neuer Haltung zur Arbeit vermitteln muss.

Wie er die Gespräche mit den neuen Beschäftigten schildert, zeigt dass Geiger nicht nur die 4- Tage-Woche ins Schaufenster des Betriebes stellt. Er will auch, dass Mitarbeiter kommen, die nach so einem Arbeitszeitmodell suchen. „Die haben gute Fragen gestellt. Ich konnte mich als Arbeitgeber vorstellen.“

So ein Gespräch laufe besser, wenn die Firma im Netz sich gut darstellt. „Das braucht natürlich auch eine Social-Media-Präsenz.“ Auf Instagram hat die Firma mehr als 30000 Follower. Die Zimmerei zeigt aktuelle Projekte, kann Maschinen und Fahrzeuge ins Bild setzen und die Beschäftigten auf der Baustelle vorstellen. Wer zu einem Gespräch kommt, kennt also nicht nur die 4-Tage-Woche, er kennt auch den Betrieb. „Da brauch ich nichts schönreden. Die wissen, wie es abläuft.“

Geiger sieht fast nur Vorteile seines Arbeitszeit-Modells. Die Abwicklung der Aufträge gerate deshalb nicht ins Stocken. „An den vier Tagen bekommt man genau so viel weggearbeitet, wie an viereinhalb.“

Das liege nicht nur daran, dass die Arbeitszeit am Tag länger wurde. 9,5 Stunden sind es jetzt von Montag bis Donnerstag. Der freie Freitag macht es zudem für Beschäftigte leichter, Termine unter der Woche zu koordinieren. Sie müssen dann den Chef nicht fragen, ob sie nicht mal Dienstagnachmittag schon um drei gehen können. Das lange Wochenende kommt auch gut an, der Erholungseffekt ist größer.

Geiger legt seine Besprechungstermine auf Freitag und erledigt die Verwaltungsarbeit dann ungestört. Von der Kundschaft kam auch noch keine negative Rückmeldung und Geiger musste in einer ersten Bilanz im Winter ein bisschen überlegen, ob es nicht doch vielleicht einen Nachteil gibt.

Bei den kurzen Tagen müsse man sich drauf einstellen, mehr in der Dunkelheit zu arbeiten. Nach einem guten halben Jahr kommt dazu: „Komplizierter wird es, wenn Brückentage oder Feiertage dazukommen.“ In drei Tagen wird es schwierig, die Aufträge abzuarbeiten. Da brauche es doch manchmal einen halben Freitag.

Das grundsätzliche Resümee des Zimmermeisters bleibt aber: „Es funktioniert im Handwerk.“ So ließe sich zeitgemäß zeigen, welche zukunftsfähigen Arbeitsplätze dort geboten werden.

Jochen Geiger greift an einem Freitag zur Kreissäge. Das ist nunganz ungewöhnlich in der Mössinger Traditionszimmerei Geiger.

Jochen Geiger greift an einem Freitag zur Kreissäge. Das ist nun
ganz ungewöhnlich in der Mössinger Traditionszimmerei Geiger.

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Erstellt:
16.06.2023, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 06sec
zuletzt aktualisiert: 16.06.2023, 01:00 Uhr

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