„Rotes Chaos“ als Theaterstück

Mayk Herzogs Feldzug gegen die Stadt geht weiter / Neues Kapitel der mäßig witzigen Satire

Horbs rotes Zentrum wird zum Theaterschauplatz. Jeden Tag stellt Bauunternehmer Mayk Herzog der Öffentlichkeit neue vermeintliche Lustigkeiten vor. Dabei legt er sich nicht nur mit der Stadtverwaltung an. Er selbst hält an dem Plan fest, nach ausgestandenen Gerichtsprozessen mit vorherigen Pächtern, das Feld einem Pächter zu überlassen, der ein griechisches Restaurant im ehemaligen Belle Arti betreiben soll. Der Stadt wirft er vor, bei der Räumung des Platzes in der vergangenen Woche falsch gehandelt zu haben. Hier widerspricht Bürgermeister Jan Zeitler energisch.

24.05.2016

Von Benjamin Breitmaier

Mit weißer Farbe hat Mayk Herzog die Grundstücksgrenze auf dem Sebastian-Lotzer-Platz nachgezogen.Bilder: bbm

Mit weißer Farbe hat Mayk Herzog die Grundstücksgrenze auf dem Sebastian-Lotzer-Platz nachgezogen.Bilder: bbm

Horb. „Ist das sein Ernst“, sagt eine Passantin. Der Nieselregen tropft auf ihren Schirm. Sie wartet an der Ampel. Wenige Schritte hinter ihr herrscht Normalbetrieb bei der Drogerie Müller. Der einzige Unterschied zu einer Horber Standard-Montagmittagszene ist, dass fast jeder Kunde, der den Markt verlässt, kurz inne hält. Nicht wenige schütteln leicht den Kopf. „Das ist einfach nur noch lächerlich“, sagt die Passantin. Die Frau quert die Straße, geht auf die weiße Linie zu. Sie stellt einen weiteren Protestakt des Mayk Herzog dar.

Am vergangenen Dienstag wollte die Stadtverwaltung Horb die Vermüllung des Areals in bester Lage nicht mehr hinnehmen und lies den Schutt, der sich durch die Bauaktivitäten Herzogs angesammelt hatte, aufräumen und Bauzäune um den Platz stellen – ein Affront in den Augen Mayk Herzogs. Die Bauzäune sind wieder weg. Laut Herzog befanden sie sich auf seinem Grundstück. Er habe sie daher abgebaut und in einen Gang hinter das Haus zur Abholung gestellt – allerdings wusste davon niemand etwas. An ihrer Stelle findet sich nun die weiße Linie. Die Worte „Herzog“ und „Grenze“ sind auf den Boden gemalt, um zu verdeutlichen, wo der Privatbesitz aufhört. Bürgermeister Jan Zeitler widerspricht Herzogs Darstellung. „Es wurde per Luftbild geprüft, wo genau der Privatbesitz aufhört, um die Bauzäune außerhalb zu platzieren.“ Außerdem bestreitet er den Vorwurf, dass Herzog nicht im Vorfeld kontaktiert wurde: „Ich habe ihn vor der Räumungsaktion versucht auf dem Handy zu erreichen.“ Außerdem soll Herzog ein Gespräch vor Ort mit dem Verweis auf seinen Anwalt abgelehnt haben.

Im Gespräch mit der SÜDWEST PRESSE ist sich der Bauunternehmer keiner Schuld bewusst. Laut seiner Aussage hätte nach den Renovierungsarbeiten alles wieder wie vorher aussehen sollen. Das widerum sieht Jan Zeitler anders: „Wir mussten einen Baustopp verhängen.“ Die Eingriffe in die Außenfassade seien zu beträchtlich. Er folge mit der Anordnung eines Baustopps lediglich geltendem Gesetz.

Was die Causa Bauzäune betrifft, hat Zeitler Anzeige gegen Unbekannt erstattet – „ein übliches Vorgehen“. „Meine Aufgabe ist es sicher nicht zu suchen, wo ein Bauzaun verblieben sein könnte“, sagt der Bürgermeister.

Zeitler wirft Herzog vor, er hätte als Fachmann wissen müssen, dass er für derartige Umbaumaßnahmen eine Genehmigung braucht: „Hätte er einen entsprechenden Antrag mit zugehörigen Unterlagen eingereicht, wäre das kein Problem gewesen.“ Für den Platz vor dem Haus hätte es lediglich einer verkehrsrechlichen Anordnung zur zeitlich begrenzten Nutzung bedurft. So hätte der Ärger vermieden werden können. Durch die Gefährdunglsage mit scharfkantigem Blech und rostigen Nägeln im öffentlichen Raum sah sich Zeitler zum Handeln gezwungen.

Derweil prangt der Schriftzug, welcher gegen die Stadtverwaltung Horb wettert, immer noch auf der Fassade im ersten Stockwerk (die SÜDWEST PRESSE berichtete). Ein neuer Tag, ein neuer Spruch – dieses Mal hat Mayk Herzog die Worte „Satirisches Kabarett“ auf ein Schild drucken lassen. Groß darunter: „Horber Kasperletheater – täglich wechselnde Berichterstattung“. Genaueres führt er zu dem Schild nicht aus.

Die mehr als zehn Jahre dauernde Geschichte des Architekten und Bauunternehmers in der Neckarstadt war schon öfter etwas holprig. Der Zwist mit der Verwaltung ist nur das neueste Kapitel. Ältere Horber erinnern sich an die schwarze Fassade, die Herzog der Stadt präsentierte, als der Gemeinderat Probleme mit der Farbe des Lotzer-Haus-Daches hatte. Herzog setzte sich damals durch. Der Streit ging mit dem Vorplatz und dessen Bodenbeschaffenheit einher.

Eigentlich klingt das angedachte Vorhaben Herzogs – ein schickes Restaurant im Erdgeschoss zu beherbergen und in den anderen Stockwerken als „Studentenhotel“ Zimmer zu vermieten – nicht schlecht. Überall sollte Kunst sein – ein wenig Großstadtflair im doch so ländlichen Horb. Doch kein Pachtvertrag, keine Vereinbarung mit Betreibern war am Ende von Bestand. Hinzu kamen verschiedene Auseinandersetzungen mit Handwerkerfirmen, die in einem Fall vor Gericht endeten.

Erbitterter Rechsstreit
mit den Pächtern
der Haifischbar

In jüngster Zeit spielte Herzog in mehreren Ermittlungsverfahren eine Rolle – mal als Beklagter, mal als Kläger. Aktuell befindet er sich in einem erbittert ausgefochtenen Rechtsstreit mit den Mietern der Haifischbar. Herzog wirft ihnen Mietrückstände vor, die Mieter bestreiten die Vorwürfe vehement. Die Geschichte begann schon im Jahr 2014 und wird mittlerweile in zwei Verfahren vor Gerichten in Stuttgart und Rottweil ausgefochten. Vor allem eine schriftliche Drohung gegen den Vater der Pächterin, Köksal Durmaz, lässt keinen Zweifel daran, dass Herzog Durmaz seit Ende 2014 als Pächter loshaben will, weil er wie von Herzog gefordert, seinen Getränkelieferanten nicht wechseln wollte. Wörtlich heißt es darin: „Wenn du weiterhin bei Schwiebert (Anm. der Red.: Name geändert) beziehst, werde ich jede Gelegenheit nutzen, den Pachtvertrag zu kündigen.“

Nach dem Auszug der letzten „Belle Arti“-Pächterin, Nadine Wäschle – laut Herzog will er gegen Wäschle nach dem Durmaz-Prozess vor Gericht gehen – wurden die Handlungen des Architekten etwas rätselhaft. Erst kürzlich tauchten einige Zettel an den Scheiben des Hauses auf. Ein griechisches Restaurant solle einziehen. Das abgedruckte Bild war allerdings von der Webseite eines Münchener Gastronomie-Betriebs. Dieser war über die Nutzung des Bildes in Horb wenig amüsiert und hat keinerlei Ambitionen in der Neckarstadt. Laut Herzog hatte ihm sein zukünftiger Pächter das Bild zugeschickt. Dieser wäre immer noch an Bord und würde einziehen, sobald der Prozess mit dem Haifischbarpächter abgeschlossen sei. Wie sich die Angelegenheit genau verhält, müssen die Gerichte klären.

Von außen betrachtet, lässt der aktuelle Zustand des Gebäudes Raum für Spekulationen. Sichtbar ist, dass das gesamte Erdgeschoss praktisch entkernt wurde. Alle Gastro-Anlagen sind weg. In Ständerbausweise wurden einige Wände hochgezogen. Im Gespräch sagt Herzog, dass die Einrichtung hätte ausgetauscht werden müssen, weil „alles verfault und kaputt war“.

Mittlerweile macht er die Berichterstattung zu einem Teil seines angeblichen Kunstprojektes. Dieses soll im Oktober 2016 abgeschlossen sein. Das steht zumindest auf dem Zettel, auf den die Passantin starrt. Er klebt an einer ähnlichen Stelle, wo noch Wochen zuvor die baldige Eröffnung des griechischen Restaurants bekannt gegeben wurde.

Der Titel hat sich seit dem Aufstellen der Gurkengläser nicht geändert: „Die Vergänglichkeit der Dinge im Kontex zur Erregung eines öffentlichen Ärgernisses im real existierenden Raum“ – so der Wortlaut. Die Gurkengläser waren im April Teil des ersten Versuchs, den Müll um das Haus, als Kunst zu erklären. Die Berichterstattung ging damals sogar über die Lokalpresse bis zum SWR, der auch aktuell das Thema wieder aufgegreift.

Auf dem neuen Zettel erklärt Herzog nun sein Handeln um und im Sebastian-Lotzer-Haus insgesamt zur Kunst. „Rotes Chaos“ nennt er das Ganze. Darunter bedankt er sich für das Medieninteresse und wünscht „Gute Unterhaltung“.

Siehe auch das „Außerdem“

Mayk Herzog erklärt ein ganzes Gebäude zur Kunst.

Mayk Herzog erklärt ein ganzes Gebäude zur Kunst.

„Horb Aktiv“ äußert sich zum Fall Herzog

In einer Stellungnahme äußert sich „Horb Aktiv“-Vorsitzender Bernd Gall in der Sache Sebastian-Lotzer-Haus: „Rebellionen und Rebellen genießen in der öffentlichen Wahrnehmung häufig einen gewissen Respekt, da ihre Aufmüpfigkeit gegen das Establishment und die Bürokratie als mutig angesehen wird. Irgendwann ist aber jeder Bogen überspannt und das anfängliche Schmunzeln wandelt sich in Peinlichkeit und Unverständnis. Seit Jahrzehnten versucht der Horber Handel zusammen mit der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat zu Verbesserungen der Aufenthaltsqualität in unserer Stadt zu kommen. Die Schritte mögen klein sein und auch nicht immer sofort ins Auge stechen aber es sind Schritte in die richtige Richtung. Die jahrelangen persönlichen Animositäten, Streitereien und Provokationen gegenüber der Stadtverwaltung unter dem Deckmäntelchen der Kunst auszutragen, ist für den Horber Handel absolut destruktiv und kontraproduktiv. Herr Herzog macht nicht nur sich zum Gespött, sondern alle, die zum Wohle dieser Stadt etwas Positives beitragen wollen und sich hierfür engagieren. Dazu gehören die Handel- und Gewerbetreibenden und viele Horber Bürger. Kunst ist zwar was gefällt, in diesem Fall sollten sich aber die Horber einig sein: Es gefällt keinem!“

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24.05.2016, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 24.05.2016, 01:00 Uhr

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