Mit Tränen in den Augen
Syrische Flüchtlinge zeigen den etwa 100 Gästen in Rohrdorf Bilder aus ihrem Heimatland
Die Tränen standen ihnen in den Augen: Einige in Rohrdorf lebende Syrer mussten am Sonntag den Saal im Rohrdorfer Gemeindehaus verlassen – zu schwer zu ertragen, waren für sie die Fotos aus ihrer Heimat, die Basel* mit passender arabischer Musik präsentierte.
Rohrdorf. Kalte Hände und Schweiß auf der Stirn. Vor seiner ersten Präsentation war Basel sichtlich nervös: „Haltet ihr den Gang frei?“, fragte er die Unterstützer vom Arbeitskreis Asyl. Diese nickten. Als immer mehr Personen in den Saal im Gemeindehaus kamen, mussten zusätzliche Stühle gebracht werden. Letztendlich besetzten die Besucher den Gang doch, ansonsten hätten die Gäste nicht in den Raum gepasst.
Etwa 100 Personen waren gekommen, um mehr über die in Rohrdorf und Weitingen lebenden Syrer und deren Heimat zu erfahren. Basel hatte die Nächte zuvor auf Hochtouren gearbeitet. Sein Freund Haysam übernahm den schauspielerischen Part. Er kam, verkleidet als alter Mann, mit einer Helferin vom Arbeitskreis Asyl in den Raum. Als er das erste Foto von seiner Heimat Syrien sah, knickte der Mann zusammen, die Präsentation konnte beginnen.
Die weiße Blume Jasmin symbolisiert als Blume der arabischen Welt die Vielfalt – und diese bekamen die Zuschauer zu sehen: Auf die Altstadt in Damaskus mit Burgen und alten Sehenswürdigkeiten folgten Hochhäuser und mehrspurige Straßen. In Restaurants tanzten Künstler. In der Oper traten offensichtlich renommierte Persönlichkeiten auf. Essen wie das Nationalgericht Tabbouleh machten Hunger auf mehr. „Die leben ja wie die Amerikaner“, sagte ein Zuschauer und zeigte sich vom Fortschritt in Syrien begeistert.
Als die Helfer vom Arbeitskreis Asyl die Hochhäuser sahen, überkam sie eine Gänsehaut: „Da hat Basel gearbeitet“, berichtete jemand von den Erzählungen des Syrers. Sie kannten den Verlauf der Präsentation bereits, weshalb sie auf die Wende warteten. Doch zuerst gab es einen Streifzug durch die großen syrischen Städte wie Aleppo mit seinen Burgen, Moscheen, Schwimmbädern und weiteren Sehenswürdigkeiten. Es ging in die syrische Hafenstadt Latakia, wo das Meer, der Strand und der rege Hafenbetrieb im Vordergrund standen. Auch in Hama gab es viele einmalige Bauten, an denen sich die Zuschauer ebenso wenig sattsehen konnten wie an denen in Daraa. Wie in einem Urlaubsfilm flogen die Bilder vorbei und als „I love Syria“ erschien, klatschten die Zuschauer Beifall.
Das arabische Jingle Bells, „Leylet Eid“, untermalte die Weihnachtsfotos. „Die haben ja auch Christbäume“, sagte ein Junge verwundert. Krippenfiguren, Beleuchtungen und das ganz große amerikanische Programm waren zu sehen. Da wundere es kaum einen Besucher, dass Haysam als Weihnachtsmann – als „Baba Noel“ – die Gäste beglückwünschte.
Die unbeschwerte Stimmung schlug jedoch schnell um, denn die Kriegsbilder folgten. „Mir hat es das Herz zerrissen, als ich die weinenden und blutverschmierten Kinder gesehen habe“, beschrieb ein Gast seinen Eindruck. Bomben zerstörten die vorher gezeigte Idylle. Kinder suchten Schutz, Menschen flohen vor dem Unheil. Doch die Flucht stellte sich schnell als weiteres Problem heraus, denn nicht überall wurden die Syrer herzlich im empfangen. In Camps wurden sie wie Menschen zweiter Klasse untergebracht. Fragezeichen von geschlagenen Syrern im Balkanraum zierten die kommenden Fotos. Im Saal war es still, nur die schwere arabische Musik war zu hören. Einige Syrer verließen den Raum, hatten sie das alles doch noch weitaus schlimmer erlebt, erklärten sie später.
Die Tränen flossen. Auch Basel, der die Fotos unendlich oft gesehen hatte, musste immer wieder wegschauen. „Es tut mir leid, dass ich Ihnen das zeigen musste, aber es ist die Wahrheit“, übersetzte der Eutinger Patrus Lazar Basels Worte ins Deutsche. Er entschuldigte sich im Namen aller Syrer für die Silvester-Vorkommnisse in Köln, die er verurteile. „Das ist eine tolle Geste, sich für etwas zu entschuldigen, wofür er nichts kann“, lobte ein Zuschauer und rief zum Klatschen auf.
* Wegen der Gefährdung der im Text erwähnten Akteure durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) wurde zu deren Sicherheit auf die Nennung der Nachnamen verzichtet.