Gefährlicher Weg über den Balkan

Vortrag: Karin Schmidke über Flucht

Die Journalistin und Fotografin Karin Schmidtke berichtete bei ihrem Vortrag über Flucht und Willkommen am Mittwochabend im Bürgersaal von ihren erschreckenden Erlebnissen auf der Balkanroute.

11.12.2015

Von margita manz

Peter Schimak (links sitzend) betrachtete die Erlebnisse und deren Auswirkungen immer wieder aus psychologischer Sicht. Majdi Daboul berichtete mit Hilfe von Samira Zerrouak über seine Flucht und Dankbarkeit gegenüber den Deutschen.Bilder: maz

Peter Schimak (links sitzend) betrachtete die Erlebnisse und deren Auswirkungen immer wieder aus psychologischer Sicht. Majdi Daboul berichtete mit Hilfe von Samira Zerrouak über seine Flucht und Dankbarkeit gegenüber den Deutschen.Bilder: maz

Sulz. Karin Schmidtke aus Schenkenzell hilft immer wieder dort, wo Unterstützung bei Elend und Not von Menschen benötigt wird. Die Bilder aus Ungarn von Flüchtenden haben Schmidtke veranlasst, selbst notwendige Dinge zu sammeln und den Flüchtlingen auf der Balkanroute entgegenzufahren.

Dabei ergaben sich emotionale Erlebnisse, die bei ihr ein Wechselbad der Gefühle auslösten. Ähnlich ging es den zahlreichen Zuhörern im Bürgersaal, die der Einladung vom Bürgerarbeitskreis gefolgt waren.

Zu Beginn des Vortrages, den Karin Schmidtke im Zwiegespräch mit dem Psychologen Peter Schimak hielt, fragte sie die Zuhörer nach Reflektionen aus dem eigenen Umfeld. Fast jeder der Teilnehmer hat in seiner Familie den Hintergrund mit „Evakuierten, Flüchtlingen oder Heimatvertriebenen“ wie es bei uns in Kriegszeiten hieß. Deren Integration hatte damals auch nicht reibungslos begonnen, ist aber heute nicht mehr spürbar und haben in Sulz und Umgebung wie andernorts ihre Heimat gefunden. Viele wissen nicht einmal mehr, dass ihre Vorfahren auch zu diesen „Gattungen“ gehörten, wenn die Großeltern nicht davon erzählt haben.

Die allgegenwärtige Fremdenangst zeigt nur die allzu menschlichen Züge, denen nur mit Mut und Aufklärung entgegen zu wirken sei. Die Integration der heutigen Flüchtlinge werde laut Schmidke eine der größten Herausforderungen an Deutschland in heutiger Zeit sein.

Am 1. Oktober fuhr Karin Schmidtke mit einem Transporter voll Hilfsgüter nach Südeuropa. Zwei Wochen lang half sie in einem Camp bei Opativag als freiwillige Helferin vor Ort. Ihre Kasperlefigur half ihr vor allem bei den Kindern, Kontakt aufzubauen. Unsagbare Torturen der teils völlig durchnässten Menschen, unbegleitete Kinder und völlig wunde Füße, ausgehungerte und dehydrierte Menschen und Kinder sind der Alltag in einem Camp auf der Balkanroute. Im November startete sie einen zweiten Hilfstransport.

Sie hat viele Menschen befragt, was sie erlebt haben und warum sie sich auf die Flucht begeben haben. Im Camp waren vor allem Syrer, Afghanen und Iraker. Beim Verteilen von Schuhen und Kleidung, oft aber auch Essen und Wasser konnte von den freiwilligen Helfern die schlimmste Not gelindert werden. Offizielle Hilfsorganisationen waren meist nicht vor Ort und die Polizei nur in Ausnahmefällen hilfsbereit. Die Überforderung traf alle: Auch die Helfer geraten immer wieder an ihre psychischen und physischen Grenzen. Viele Studenten aus ganz Europa setzen sich als Helfer ein.

Die Helferteams werden aber oft nur aus freiwilligen Einzelpersonen zusammengesetzt, die mit eigenen Mitteln den Flüchtlingen entgegen fahren und helfen, was sie persönlich können. Die Menschenrechtsverletzungen in den verschiedenen Staaten, die auf der Balkanroute durchreist werden müssen, häufen sich. Die größte Herausforderung ist es immer noch, sicher übers Meer zu gelangen, da teilweise die Patrouillenboote ein Durchkommen aktiv verhindern, und der Tod vieler Flüchtlinge billigend in Kauf genommen wird. Auch kämen laut Schmidke Stimmen auf, die vom Verkauf von minderwertigen, todbringenden Schwimmwesten erzählen. Dass mit der Not der Flüchtlinge illegale Geschäfte gemacht würden, stehe dem gegenüber, dass die Flüchtenden ihr ganzes Hab und Gut verkaufen, um einen vermeintlich sicheren Weg zu finden.

Auf einem Bild hatte Schmidtke einen jungen Mann abgelichtet, der eine Violine auf der gesamten Flucht mitführte. Als dieser junge Mann dann kurzerhand aus dem Publikum aufstand und seinen Violinen-Kasten hochhielt, war die Überraschung geglückt. Majdi Daboul ist nun seit zwei Monaten und vier Tagen in Freiburg und überglücklich, leben zu dürfen. Traurig macht es ihn, dass vier seiner Freunde bei der Flucht ihr Leben verloren haben. In Englisch konnte er von seiner Flucht durch neun Länder berichten. Samira Zerrouak übersetzte die unverständlichen Teile. Majdi war überglücklich, dass er mit jemandem reden konnte, der die Übersetzung übernahm.

Eindrücke die bewegen, Tagesszenen, die erschrecken und Begebenheiten, die nur mit Galgenhumor zu ertragen waren, erlebten alle beim Vortrag mit vielen Bildern hautnah mit. Peter Schimak holte die emotionalen Entgleisungen aller immer wieder gekonnt auf den Boden der Tatsachen zurück. Dass Kriegstraumata und Erlebnisse auf der Flucht Zeit brauchen, um aufgearbeitet zu werden, ist allen klar. Die Belastungen sind auch für die Helfer sehr schwierig und Angst reist immer mit.

Karin Schmidtke wird sich spätestens im Januar wieder auf den Weg machen, um weiter zu helfen.

Peter Schimak (links sitzend) betrachtete die Erlebnisse und deren Auswirkungen immer wieder aus psychologischer Sicht. Majdi Daboul berichtete mit Hilfe von Samira Zerrouak über seine Flucht und Dankbarkeit gegenüber den Deutschen.Bilder: maz

Peter Schimak (links sitzend) betrachtete die Erlebnisse und deren Auswirkungen immer wieder aus psychologischer Sicht. Majdi Daboul berichtete mit Hilfe von Samira Zerrouak über seine Flucht und Dankbarkeit gegenüber den Deutschen.Bilder: maz

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Erstellt:
11.12.2015, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 09sec
zuletzt aktualisiert: 11.12.2015, 01:00 Uhr

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