Manuel Neuer ist bei der EM der gewohnte Rückhalt der Nationalelf

Bereit für die ganz großen Spiele

Nach Oliver Kahn ist Manuel Neuer der nächste Titan im Tor der deutschen Nationalmannschaft. Vor dem EM-Achtelfinale am heutigen Sonntag steht bislang die Null

26.06.2016

Von GEROLD KNEHR

Selbstbewusst und konzentriert vor den nächsten Aufgaben: Manuel Neuer. Foto: afp

Selbstbewusst und konzentriert vor den nächsten Aufgaben: Manuel Neuer. Foto: afp

Evian-les-Bains. 270 Minuten lang hat Manuel Neuer bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich bisher gespielt – und, was für einen Torhüter das Wichtigste ist, sich noch keinen Gegentreffer eingefangen.

Dennoch ist der 30-Jährige verschnupft. Nicht über seine Teamkollegen. Die haben zumindest beim 0:0 gegen Polen und beim 1:0 gegen Nordirland ihren Keeper beim Bemühen um die Null, die stehen muss, viel Arbeit abgenommen. „Es liegt was in der Luft. Gegen irgendwas hier in Evian-les-Bains bin ich allergisch“, erzählt der Welttorhüter. Aber keine Sorge, am Sonntag beim Achtelfinale gegen die Slowakei (18 Uhr/ZDF) ist Neuer auf jeden Fall dabei. Ein bisschen Kratzen im Hals – das wirft den neuen Titanen im deutschen Team nach Oliver Kahn nicht um.

Zum EM-Auftakt, beim 2:0 gegen die Ukraine, hatten ihn seine Mannschaftskollegen noch das eine oder andere Mal im Stich gelassen. Mehrmals musste der Torhüter des FC Bayern München beherzt zugreifen, einmal rettete Jerome Boateng für ihn akrobatisch. Neuer bot eine famose Leistung, half tatkräftig mit, einen Fehlstart zu verhindern – und war von der ersten Minute an voll im Turnier. In den beiden folgenden Gruppenspielen wurde die Nummer eins im deutschen Tor nicht mehr groß belästigt. Das habe auch daran gelegen, dass die Mannschaft in diesen Begegnungen „mannschaftlich geschlossen verteidigt hat und viel dafür investiert hat, dass wir gut stehen“, erklärte Neuer.

Doch der frühere Schalker, der als Kind viel lieber im Feld gespielt hätte und von einem Jugendtrainer in den Kasten abkommandiert wurde, weiß auch: „In solchen Spielen kann man als Torhüter nicht so viel gewinnen.“ Auch im Achtelfinale gegen die Slowakei braucht er noch keinen Sturmlauf auf sein Tor zu befürchten, der Kontrahent wird sein Heil in erster Linie in der Defensive versuchen.

Aber vielleicht täuscht man sich da ja. Bei der WM vor zwei Jahren in Brasilien hätte man ebenfalls vor dem Achtelfinale gegen Algerien nicht vermutet, dass Neuer mit mehreren atemberaubenden Ausflügen bis an die Mittellinie seiner Mannschaft den Sieg retten müsste.

Auch im Viertelfinale gegen Frankreich bedurfte es gegen Karim Benzema kurz vor dem Abpfiff einer großen Neuer-Parade, um den Weg ins Halbfinale und später zum Titel erst zu ermöglichen. „Damals kannte man international meine Spielweise noch nicht so gut“, erinnert er sich an die Aufmerksamkeit, die ihm damals weltweit zuteil geworden war. Und die er durchaus zu genießen wusste.

Neuer ist ein Torhüter für die großen Spiele. In der Vorbereitung und bei Testspielen kann es schon einmal vorkommen, dass er unkonzentriert ist und sich auch mal einen Fehler erlaubt. Doch je weiter ein Turnier geht, je wichtiger die Saisonphase im Verein wird, desto wacher und entschlossener wirkt der Mann, der seit 2010 die Nummer eins im Tor der Nationalelf ist.

Noch aber ist die Europameisterschaft 2016 nicht an ihrem Höhepunkt angelangt. „Nach Siegen gegen die Ukraine und Nordirland lässt man keinen Hurra-Schrei los. Die Rieseneuphorie ist noch nicht da“, hat Neuer beobachtet. Immerhin, der eingeschlagene Weg sei der Richtige. „Bislang sind wir voll im Soll. Aber nun kommt es darauf an. Wir sind zu einhundert Prozent da, und wir wissen, was uns noch alles erwartet“, sagte Neuer gestern, zwei Tage vor dem Achtelfinale gegen die Slowakei.

Auch dieses Spiel gegen den derzeitigen 24. der Fifa-Weltrangliste kann in den Augen der deutschen Nummer eins noch nicht die ganz große Nummer sein. Dennoch warnt er davor, „nur“ von der Slowakei zu sprechen.

Von seinem slowakischen Torhüterkollegen Matus Kozacik und dessen Leistung beim 0:0 im dritten Gruppenspiel gegen England war Neuer beeindruckt. Und auch die Leistungen der meisten anderen Torhüterkollegen imponieren Neuer bei dieser EM. „Das Niveau hier ist schon sehr gut. Man hat bislang kaum Fehler von Torhütern gesehen“, so der DFB-Kapitän.

Dass er im weiteren Turnierverlauf möglicherweise die Binde abgeben muss – dies wäre dann der Fall, wenn Bastian Schweinsteiger in die Startformation zurückkehren würde – stört Neuer nicht. „Ich bin bereit dazu und würde mich freuen, wenn Bastian von Anfang an spielen könnte.“

In diesem Fall könnte sich Neuer ganz auf ein anderes Ziel konzentrieren. Ein weiteres Mal ohne Gegentor zu bleiben. Bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine ist Spanien mit nur einem Gegentor im gesamten Turnier Europameister geworden. So weit blickt Neuer noch nicht voraus. „Ich bin kein Rekordjäger. Wir wollen erfolgreichen Fußball spielen. Aber das eine schließt das andere nicht aus“, liebäugelt er durchaus mit einer solchen Marke.

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Erstellt:
26.06.2016, 10:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 21sec
zuletzt aktualisiert: 26.06.2016, 10:00 Uhr

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