Haneke holt Leichen aus dem bürgerlichen Keller. Die Beschau obliegt dem Zuschauer.

Caché

Haneke holt Leichen aus dem bürgerlichen Keller. Die Beschau obliegt dem Zuschauer.

24.11.2015

Von che

Caché

Der Film, für den den Österreicher Michael Haneke den Regie-Preis in Cannes und vier Europäische Filmpreise gewonnen hat, beginnt mit einem Videotape. Es zeigt stumm und statisch nichts als die Frontfassade eines Hauses in einem gut bürgerlichen Pariser Viertel. Empfänger des mysteriösen Bandes ist der beliebte Talkshow-Moderator Georges (Daniel Auteuil), der sich in besagtem Haus mit bezaubernder Gattin (Juliette Binoche) und Plasmafernseher ein kultiviertes Leben gönnt. Große Aufregung. Wer verschickt so einen Unfug? Vielleicht ein Kumpel des pubertierenden Sohnes? Oder ein durchgeknallter Fan vom Fernsehen? Noch ehe man die Sache unter den Teppich kehren kann, wird schon die nächste anonyme Videobotschaft nachgereicht ? diesmal verziert mit einem Blut-verschmierten Strichmännchen.

Wer mit Filmen von Haneke („Funny Games?, „Die Klavierspielerin?) vertraut ist, ahnt, dass sich daraus kein gewöhnliches Kriminalstück etwa im Chabrol-Stil entspinnt. Aber spannend wird es schon. Denn von immer weiteren Mitteilungen (Warnungen?) torpediert, droht Georges? geordnete Welt aus schönen Künsten, Abendgesellschaften und Ehealltagstrott zu zerbröseln, und so beginnt er hektisch nach dem Unruhestifter zu fahnden. Eine vage Spur führt in seine Kindheit, zu der prekären Beziehung mit einem arabischen Jungen.

Haneke legt mehrerer solcher Fährten, deren Verfolgung uns Protagnonist Georges aber nur zum Teil abnimmt. Den Rest des Weges muss der Zuschauer alleine gehen, und vermutlich wird jeder dabei auf etwas anderes stoßen: das schlechte Gewissen und die Verdrängungskunst des Bürgertums; die Leere einer allein auf Wohlstand gründenden Ehe; die zynische Umkehrung des Sicherheitswahns per allgegenwärtiger Überwachung(skameras); das noch lange nicht abgegoltene Unrecht des Kolonialismus; vielleicht sogar das Gift des Generalverdachts gegen Muslime im Zeichen terroristischer Bedrohung. Nur mal so als Beispiele.

Da darf sich der Kinoabend also nahtlos in die Kneipe und danach vielleicht ins eigene Leben hinein verlängern ? falls es dafür überhaupt noch Interessenten gibt.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 57sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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Bruno Bregel 21.04.200612:00 Uhr

brechtsches ende nicht zum brechen sondern kopfzerbrechen, trotzdem bricht er mit 0815-Happy-Ends und war auch sonst im brechend vollen kino bravurös.

Rita 17.04.200612:00 Uhr

Völliger Mist

Peter W. 29.03.200612:00 Uhr

eher langweilig

Rosetta 24.03.200612:00 Uhr

Eine statische Kamera die einen in die Perspektive sowohl von opfer als auch Täter fühlen lässt. Doch wo ist der Täter - denn letztendlich ist vielleicht das Opfer der Täter?

Sebastian Selig 22.03.200612:00 Uhr

In all seiner Präzesion und Strenge sicherlich bewunderswert. Natürlich auch sympathisch, dass Haneke genau das Altakademiker-Klientiel versucht zu ficken, das begeistert in seine Filme rennt. Letztlich mangelt es dem Film aber etwas an Wahnsinn. Überall tun sich Schlupflöcher auf, über die sich Ganze auch einigermaßen unberührt absitzen lässt. WOLFZEIT mit seiner Hamster-Beerdigungsszene erschien mir reicher.

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