Lässt ausgerechnet mit der Kamera alles hektische Sehenwollen weit hinter sich.

Die große Stille

Lässt ausgerechnet mit der Kamera alles hektische Sehenwollen weit hinter sich.

24.11.2015

Von Dorothee Hermann

Die große Stille

Die Nuancen des Schweigens besitzen ihre eigene Schönheit. Der Dokumentarfilm „Die große Stille? führt in eine extreme Abgeschiedenheit. In einem schroffen Gebirgsmassiv gelegen, scheint im Kartäuserkloster La Grande Chartreuse bei Grenoble die Natur ebenso wie die hohen Mauern über das Schweige-gebot der Mönche zu wachen. In deren gleichförmigem Leben wirken alltägliche Verrichtungen und Gegenstände wie eine köstliche Überraschung der Sinne.

Die kleine Schale mit Orangen und Birnen prangt in einer der kargen Mönchszellen in einer nie gesehenen Farbenpracht. Als hätte sich allein beim Zuschauen beinahe unmerklich die Wahrnehmung verändert. Das hektische Sehenwollen hat in diesem Kloster keinen Ort, wo das empfindliche Ohr, das Vernehmen, auf eine Stille gerichtet ist, aus der es sich ein Wort erhofft, „das Gott gleich ist?, wie es in der Ordensregel heißt.

Vielleicht wären die Kartäusermönche der Grande Chartreuse nicht einverstanden damit, ihre strengen Exerzitien zu ästhetisieren, sie zu rezipieren wie eine seltene, kostbare Kunstform, eine Kunde von einer sehr strengen und zugleich seltsam unbeschwerten Lebensform. Regisseur Philip Gröning jedenfalls versteht sich darauf, dieser Abgeschiedenheit ihre verborgenen Schönheiten abzulauschen.

Die Flüchtigkeit alles Menschlichen vor den uralten Mauern hat etwas Anrührendes. Allein zu beobachten, wie sich das Licht in den alten Gebäuden mit den Jahreszeiten ändert, kann eine Augenweide sein; ein starker Kontrast zur allgegenwärtigen wattstarken künstlichen Helligkeit. Und den gelegentlich in Nahaufnahme porträtierten Gesichtern der Mönche eignet die Intensität von Aufnahmen aus der Frühzeit der Fotografie. Nur selten verrät ein winziges Lächeln eines der Mönche, dass er gerade bewusst direkt in die Kamera blickt

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 49sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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Isabelle Wiertz 28.01.200612:00 Uhr

Grossartig, ein Meisterwerk des Dokumentarkinos, das sich mit cineastischen Mitteln weit vom Fernsehen abhebt.

Robert 26.01.200612:00 Uhr

Bitte nicht nach einer Stunde rausgehen! Sondern sich drauf einlassen und die Atmosphäre wird spürbar. Ich wußte nach 10 min nicht, ob ich es aushalte, aber die Stille zu ertragen ist für uns heute auch unbequem und anstrengend. Wer sie annimmt und sich drauf einlässt, dem wird eine neue Welt geöffnet.

Cl 23.01.200612:00 Uhr

Das einzige Atmosphärische an diesem überlangen Film ist das wunderschöne Kloster selber - ansonsten eine dramaturgische Nullnummer ohne Struktur & interessante Informationen

Manfred Wolff 16.01.200612:00 Uhr

Hervoragend fotografiert, ein Kontrast zu allen anderen Filmen, die laufen. Aber: eine volle Stunde zu lang. So wird aus der großen Stille die große Langeweile. Gehen Sie einfach rechtzeitig (etwa nach 100 Minuten) raus, danach wiederholen sich die Bilder nur noch.

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