Fontane als kulissenselige Preußen-Schmonzette mit Softporno-Elementen.

Effi Briest

Fontane als kulissenselige Preußen-Schmonzette mit Softporno-Elementen.

23.11.2015

Von Dorothee Hermann

14.09.2015 Effi Briest
© null 02:24 min

Dieser Film missversteht Literatur als Kostümfest. Man spielt Preußen, und bewegt sich im pseudo-historischen Glanz doch stets etwas frustriert, mit heruntergezogenen Mundwinkeln, als traute man der eigenen Rolle selbst nicht ganz. Im sterilen Realismus eines zu Tode renovierten Freilichtmuseums wirkt keine einzige Einstellung authentisch.

Effis Vater (Thomas Thieme) wäre glaubhafter in einer Berliner Eckkneipe von einst. Die Mutter (Juliane Köhler) sorgt für den bekannten Hauch Zwangsheirat unter Kronleuchtern. Statt Fontanes eleganter Prosa hört man Sätze wie aus einer Vorabend-Soap: „Ist dir alles nicht romantisch genug?? So geht Effis Mutter widerwillig auf die Befürchtungen der Tochter ein, um sie zugleich abzuwehren.
Der erste Geschlechtsverkehr zwischen der 17-jährigen Effi (Julia Jentsch) und dem 20 Jahre älteren Baron von Innstetten (Sebastian Koch) bedient das chauvinistische Uralt-Klischee von der Frau als Beute, dem Mann als Tier. Effi schreit vor Schmerz, und der Zuschauer wird zum Voyeur einer Vergewaltigung degradiert. Nur die Geburt von Effis Tochter ist hörbar noch schmerzhafter.

Doch Effis charakteristischste Pose ist es, liegend oder stumm zurückgelehnt in einem Sessel heftig zu atmen. Statt eine emotionale Bewegung zu erzeugen, wird Regisseurin Hermine Huntgeburth („Die weiße Massai?) noch häufiger nach diesem dramaturgischen Signal greifen ? nach dem Motto „Achtung! Leidenschaft!? Gleich doppelt erklingt es bei Effis Eskapade mit dem fesch sein wollenden Major von Crampas (Misel Maticevic), die als Softporno in einer baufälligen Strandhütte inszeniert ist. „Crampas, nochmal!?, sagt Effi da wie ein Kleinkind, das eine zweite Portion seines Lieblingsdesserts möchte.

Die Position, die die gefeierte Julia Jentsch („Sophie Scholl?) in diesem Streifen innehat, gleicht ein wenig der Position eines Kindes, das ein paar Fernsehschauspieler in eine besonders prächtig aufgeputzte Soap-Ecke abgeschleppt haben. Das vorgeblich emanzipatorisch abgeänderte Ende, das Effi allein nach Berlin ziehen lässt, bleibt so entschieden unglaubwürdig.

Effi Briest

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Erstellt:
23.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 56sec
zuletzt aktualisiert: 23.11.2015, 12:00 Uhr

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Schroeder 22.02.200912:00 Uhr

Und in der nächsten deutschen Literaturverfilmung zieht Josef K. in zweiter Instanz vors Bundesverfassungsgericht. Man ist ja auf der Höhe der Zeit.

Johanna 21.02.200912:00 Uhr

Liebe Kritikerin,
dies ist eine Verfilmung auf der Höhe der Zeit. Ein bißchen beeinflußt von Dorothea Keulers "Effi B." und wie diese die Potentiale der Figuren über Fontanes Andeutungen hinaus treibend. Eben zeitgemäß und bestens ausgestattet und wunderbar gespielt. Ein Vergnügen und eine Wiedergutmachung für die schulische Pflichtlektüre.

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