Tragiromantische Komödie im kulturellen Zwischenland zwischen Hamburg und Istanbul.

Gegen die Wand

Tragiromantische Komödie im kulturellen Zwischenland zwischen Hamburg und Istanbul.

24.11.2015

Von che

Gegen die Wand

Es sei doch merkwürdig, hieß es neulich im Smalltalk, dass der Durchschnittsdeutsche außer Döner und Kebap kein Wort Türkisch könne. Gut möglich, dass „Gegen die Wand? zur Initialzündung eines überfälligen Kulturaustauschs wird. Die Voraussetzungen sind jedenfalls günstig. Ein Goldener Bär in Berlin, viel Medienrummel um die „sündige? Hauptdarstellerin Sibel Kekilli, ein Regisseur (der gebürtige Hamburger Fatih Akin), der als Kronzeuge türkischer Lebensart in Deutschland durch alle Talkshows gereicht wird. Eine bessere Startposition für einen rauschenden Kinoerfolg hatte nicht einmal der Sieben-Millionen-Seller „Good bye Lenin!? im Vorjahr.

Die Strategien beider Filme sind zudem recht ähnlich. Wie Wolfgang Becker mit „Lenin? entwickelt auch Akin vom Fundament eines virulenten Kulturkonflikts aus ein anrührendes Stück Unterhaltungskino. Sibel, eine lebenshungrige Hamburger Türkin der zweiten Generation, will „Spaß und Sex nicht nur mit einem Mann?. Um den rigiden Moralvorstellungen ihres Elternhauses zu entkommen, sucht sie zum Schein einen Ehemann, der wenigstens formal den väterlichen Ansprüchen genügt. Mehr zufällig fällt diese Rolle an Cahit, einen inklusive Alkoholproblems rundum assimilierten Deutschtürken, der es mit seinen 40 Jahren nicht weiter als zum Flascheneinsammler in einem verratzten Kiezclub gebracht hat.

Akin zeichnet diese kulturellen Milieus mit kraftvollem Strich, um sie hernach hinter einer universalen Liebesgeschichte fast wieder zum Verschwinden zu bringen. Denn natürlich wird der nüchterne Zweck der Ehe alsbald von keimenden Gefühlen durchkreuzt, die zu komischen, romantischen und tragischen Verwicklungen führen. Die altmeisterliche Souveränität, mit der Regisseur und Schauspieler die sprunghaft wechselnden Emotionen ausbalancieren, macht „Gegen die Wand? in der Tat zu einer angenehmen Ausnahmeerscheinung im deutschen Kino ? trotz eines etwas umständlich dem Verlegenheitsfinale entgegenmäandernden letzten Filmdrittels.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 51sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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ul 19.03.200412:00 Uhr

Enttäuschend! So ein hochgelobter Film!

17.03.200412:00 Uhr

EIn absolut "untypischer" Türke und eine völlig "untypische" Türkin erleben, wie schmerzhaft es immer noch IST, jenseits eingefahrener Traditionsbahnen leben zu wollen. Das ist wohl die eindrucksvollste Botschaft des Films. Und sie ist verdammt gut gemacht. Der Ralf

Aysel aus Ludwigsburg 17.03.200412:00 Uhr

Ein Klassefilm !
Fatih Akin hat damit wirklich den Bären verdient. Der Film geht auf den krassen Kulturunterschied zwischen Deutschland und den Traditionen der türken ihre Werte und Normen in einer verlorenen Umwelt ein. Was mich beeindruckt hat war dass er sehr lebensnahe die heuchlerische Banalität des typisch türkischen Macho zeigt.

16.03.200412:00 Uhr

toller humor trifft auf tragik. bin begeistert vom hauptdarsteller. was für ein mann!

stella 16.03.200412:00 Uhr

Endlich ein guter deutscher Film!!

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