Versuch, den Ruanda-Genozid ins Massenbewusstsein zu rücken. Packend, aber ein Spur zu pathetisch.

Hotel Ruanda

Versuch, den Ruanda-Genozid ins Massenbewusstsein zu rücken. Packend, aber ein Spur zu pathetisch.

24.11.2015

Von che

Hotel Ruanda

800 000 Tote in 100 Tagen. Das sind 8000 pro Tag, fünfeinhalb pro Minute. Alle elf Sekunden ein Mord, in einem Land kleiner wie Baden-Württemberg. Das ist die rechnerische Bilanz des Völkermords in Ruanda, wo vor elf Jahren die Armee und enthemmte Hutu-Milizen die Minderheit der Tutsi ausrotten wollten. Der Westen, in Gestalt der im Land stationierten Blauhelmsoldaten, stand erst gaffend daneben und machte sich dann aus dem Staub. Auch deswegen sickerte das Massaker und vor allem sein unvorstellbares Ausmaß nur langsam ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit. Mit „Hotel Ruanda? und dem (in Deutschland noch nicht veröffentlichten) „Sometimes in April? von „Lumumba?-Regisseur Raoul Peck, versuchen sich nun erstmals zwei Spielfilme an einer konsumablen Aufbereitung des Genozids.

Eine Analyse, wie es zu dem Massenmorden kommen konnte, sollte man von Terry Georges „Hotel Ruanda? nicht erwarten. Dem nordirischen Regisseur geht es zunächst darum, sein Publikum mit den rohen Fakten vertraut zu machen. Etwa den schon lange vor dem Losschlagen gebunkerten Macheten, mit denen ein Großteil der Morde begangen wurde. Der Rolle des Radiosenders RTLM und seiner „Kakerlaken?-Hetze. Oder dem Selektieren von Weißen und Afrikanern durch die Uno-Soldaten.

Damit das erträglich bleibt, hat George zweitens die große Lichtgestalt in dieser Real-Tragödie ins Zentrum gerückt: den Hutu Paul Rusesabagina, der durch mutige Finten (und reichlich Bestechung mit Alkoholika) mehr als tausend Tutsi in dem von ihm gemanagten Luxushotel vor dem sicheren Tod bewahrt hat. Ganz gewiss ist „Hotel Ruanda? ein verdientes Denkmal für diesen „Schindler von Afrika? und eine tiefe Verbeugung vor der Zivilcourage im Zeichen tödlicher Bedrohung.

Vielleicht wagt sich der Film aber dann doch etwas zu selten aus der Fluchtburg hinaus in die Hölle. Das systematische Abschlachten zeigt er meist nur indirekt über den Dialog oder durch Bilder der mit Leichen übersäten Straßen. Das mag man als Respekt vor dem möglicherweise Undarstellbaren deuten, ein bisschen ist es aber auch Übervorsicht vor dem Publikum, das ja selbst im Angesicht des Grauens noch unterhalten sein möchte. Ähnlich gestrickte Filme wie „Killing Fields? über den Kambodscha-Genozid waren da allerdings mutiger.

Am Ende übertreibt es George sogar massiv mit den Lichtlein der Hoffnung, die gegen die Unmenschlichkeit anleuchten. Dass sich nach diesen 100 Tagen auch nur eine halbe Familie glücklich in den Armen liegt ? das gab es in Wirklichkeit vielleicht in einem von hundert Fällen.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 15sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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Boris Dollinger 17.04.200512:00 Uhr

Weniger ein Gesamtüberblick über den Völkermord in Ruanda, als vielmehr die Geschichte des Paul Rusesabagina erziehlt Terry Georges Film trotz des Verzichts auf plakative Bilder(so harmlos sind die Tötungsszenen, wenn auch nur wenige davon und eher unscharf und aus der Ferne zu sehen sind dann allerdings auch wieder nicht)durchaus die erwünschte Wirkung das Grauen dieser 100 Tage wenn auch nur Ansatzweise in den Köpfen der Zuschauer begreiflich zu machen. Don Cheadle, der in den letzten Jahren zwar viel beschäftigt, in seinen Rollen aber meistens verschenkt war, hätte den Best-Actor-Oscar hierfür definitiv verdient gehabt!

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