Ode an die Seelenverwandtschaft, oder: Wie ein cooler Film die Herzen wärmt.

Lost in Translation

Ode an die Seelenverwandtschaft, oder: Wie ein cooler Film die Herzen wärmt.

24.11.2015

Von che

Lost in Translation

Nach den Zuschauerzahlen der Startwoche, schickt sich dieser Film gerade an, zum „Herr der Ringe? der Arthaus-Kinos zu werden. Über die Gründe darf gerätselt werden, denn er hat so gar nichts, was einem Kassenknüller gut zu Gesicht steht. Eine Handlung ist nur in Spurenelementen vorhanden, die Emotionen köcheln auf kleiner Flamme, es gibt keine Stars und keinen Sex, von Exotik fehlt trotz des Schauplatzes Japan jede Spur, und dazu ist er politisch und sozial ohne jede Relevanz.

Zweierlei dürfte für den Triumphzug verantwortlich sein. Zum einen der massive Flankenschutz durchs Feuilleton, das sich von der kunstvollen Zeichensprache Sofia Coppolas zu wahren Hymnen hinreißen ließ. Zweitens behandelt die junge Regisseurin in ihrem zweiten Film ein Phänomen, das jeder aus eigenem Erleben kennt: Einsamkeit. Nicht die große, existenzielle, das Herz zerreißen wollende, sondern jenes kleine, unangenehm stichelnde Gefühl der Verlassenheit, wenn man allein einer fremden Stadt mit fremden Menschen ausgeliefert ist.

Solches widerfährt in „Lost in Translation? zwei Amerikanern in Tokio: Charlotte (Scarlett Johansson) wurde von ihrem Mann, einem wuseligen Werbefotografen, ohne rechten Grund mit nach Japan geschleppt und im Hotelzimmer abgestellt. Der abgehalfterte Action-Star Bob (Bill Murray) hat sich als Held eines Whisky-Werbespots anheuern lassen und sitzt nun die Drehpausen an der Hotelbar ab. Irgendwann treffen sich die beiden Jet-Lag-Geschädigten an der Theke, finden sich auf Anhieb sympathisch und verleben ein paar glückliche Tage.

Wer nun vorfreudig amouröse Verwicklungen heraufziehen sieht, ist im völlig falschen Film. Allenfalls Freunde des feinen Humors kommen gelegentlich auf ihre Kosten, wenn etwa Bob von einem exaltierten Regisseur zusammengebrüllt wird und die Dolmetscherin die minutenlange Tirade lieblich mit „etwas mehr Intensität? übersetzt. Im übrigen begleiten wir unser Paar in somnambuler Stimmung auf unspektakulären Streifzügen durch die unwirtliche Metropole, erleben sie kindisch beim Karaoke und beim schüchternen Küsschen vor der Hotelzimmertür. Selbst als Bob aus Versehen mit einer anderen Frau ins Bett steigt, wird das von Coppola ohne Hitzewallung, mit beiläufiger Coolness registriert.

Wahrscheinlich ist es gerade sein Beharren auf der Gewöhnlichkeit des Lebens, das den Film so außergewöhnlich attraktiv macht: Dass eine Liebesgeschichte mal nicht zum existenziellen Drama aufgebauscht (oder zum Klamauk abgewertet) wird. Dass endlich mal eine Bresche für den Zauber der Seelenverwandtschaft geschlagen wird. Und das in einer eleganten und zugleich präzisen Bildsprache, die im amerikanischen Kino ihresgleichen sucht.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 14sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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09.03.200412:00 Uhr

Ja, man kann sich diesen Film anschauen, aber ob man begeistert sein wird ist wirklich geschmackssache. Die einen werden sagen: "Ganz toll", die anderen "So ein Schrott". Ich tendiere eher zu letzteren, denn weder finde ich die Witze wirklich witzig, noch das der Film einen besonderen Flair hat (Na gut, vielleicht ein klein wenig). Auch sehe ich in keiner Weise warum Bill Murray hätte einen Oscar für seine Rolle bekommen sollen. Er hat schon bessere Filme gemacht.
Also, wer Geld sparen will, der sollte besser den Film aus der Videothek holen, dann kann man auch abschalten wenn es einem nicht gefällt.

der Ralf 04.03.200412:00 Uhr

Selten haben inszenierte Vorurteile meine Lachmuskeln so spontan gekitzelt wie die über Japaner in diesem Film - eben gerade WEGEN der langen Abstinenz selbiger. Wer nicht frei mit Vorurteilen umgehen kann, hat dann natürlich wieder Probleme ... Auch sonst ein Film mit sehr viel Atmosphäre, bei dem man nicht weiss, woher er kommt und wohin er will, und man ahnt, dass es auch die Autorin weder weiss noch wissen will, aber man kann eben auch mal einfach so Kino machen, oder? 2

plankton 29.02.200412:00 Uhr

Endlich! Hollywood hats geschafft Banalität ohne Spezialeffekte als Kunst zu verkaufen was im Moment so für "Kunst" steht. Der Coppola-Clan sorgt für seinen eigenen Hype in Sachen kruder, nichtssagender Bildsprache. Tokioter werden wohl nicht besonders amused sein über die (totaaal witzige) Ansammlung von Vorurteilen. Japaner sind Sexperverslinge, verbeugen sich ständig abgrundtief und können, dem Moviehimmel sei dank, immer noch kein "R" aussprechen.Das ist doch Stoff der Oscarreif ist. Für Arthaus "ungenügend" .

alex 29.02.200412:00 Uhr

Ein Film, über den man sich offensichtlich streiten, zumindest aber unterhalten kann. Das allein macht ihn schon zu etwas nicht ganz alltäglichen. Ist schon fast alles gesagt: Schöne Atmo, viele selbst interpretierbare Bilder und Szenen, unaufregend. Übrigens gab´s in der Berliner Zeitung "Zitty" ebenfalls einen längeren zum Teil aggressiv ausgetragenen Streit darum, ob die letzte Szene (der unhörbare Ohrflüsterer)nun gut oder lächerlich sei...Ich fand´s übrigens äußerst gelungen, allein deshalb, weil ich immer noch damit beschäftigt bin, mir zu überlegen, was Bill Murray da wohl gesagt haben mag. Gemeine Regisseurin...

28.02.200412:00 Uhr

Halloo?? Ein guter Film braucht keine Handlung! Hat man nicht ohnehin alles schonmal gesehen? Dieser Film hat Atmosphäre!

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