Weniger Politthriller als Meditation über Moral und Gewalt in der (Nahost-)Politik.

München

Weniger Politthriller als Meditation über Moral und Gewalt in der (Nahost-)Politik.

24.11.2015

Von che

München

Am 5. September 1972 wurden die Olympischen Spiele in München, die als „heiter? in Erinnerung bleiben sollten, jäh unterbrochen. Ein palästinensisches Terrorkommando namens „Schwarzer September? überfiel das Olympische Dorf und nahm israelische Sportler als Geiseln. Am nächsten Abend waren, begünstigt vom Dilettantismus der deutschen Polizei, elf von ihnen tot. Kurz darauf beschloss die israelische Regierung, die Drahtzieher zur Rechenschaft zu ziehen, konkret: sie der Reihe nach umbringen zu lassen. Von diesem bislang wenig bekannten zweiten Teil des Wirklichkeits-Dramas handelt Steven Spielbergs beeindruckender Film.

Wer einen klassisch gestrickten Politthriller erwartet, dürfte allerdings enttäuscht werden, denn von Helden und Sympathieträgern, mit denen es zu fiebern oder bangen gälte, fehlt hier jede Spur. Zwar wird der Anführer des fünfköpfigen Rachetrupps (Eric Bana), ein Mossad-Greenhorn und angehender Familienvater, als netter Kerl eingeführt, doch am Ende des Films hat er diesen Kredit längst verspielt und kann als psychisch zerrüttetes, desillusioniertes Nervenbündel bestenfalls noch Mitleid beanspruchen. Seine Entwicklung steht pars pro toto für die Debatte, die Spielberg mit „München? im Schilde führt.

Geschickt verknüpft der Regisseur die minutiöse, manchmal fast spröde Schilderung des Vergeltungs-Feldzugs (den es so nie gegeben hat) mit Fragen der politischen Moral. War das gezielte Töten von Terroristen ein legitimer Akt des Selbstschutzes oder gar Pflicht gegenüber dem gesunden Gerechtigkeitsempfinden? Dafür gibt es gute Gründe, denn auf internationale Hilfe bei der Bestrafung der Mörder von München durfte Israel nicht rechnen. So wurden die drei überlebenden Attentäter schon nach einem Jahr aus deutscher Haft entlassen. Auch die ungeheuerliche Provokation, dass Juden im Land der alten Nazis liquidiert wurden, kann als Argument für eine harte Gangart gelten.

Andererseits war die Beweislage bei vielen Kandidaten auf der israelischen Todesliste recht dürftig. Und natürlich folgte jedem Häkchen auf ihr die Rache der Gegenseite auf dem Fuß. Schwerer wiegt für Spielberg aber wohl die moralische Verrohung, die mit dem fortgesetzten Töten einhergeht. Sind die Rächer anfangs noch peinlich darauf bedacht, Unschuldige zu schonen, wird schon nach kurzer Zeit der Gewöhnung wahllos gekillt, werden nebenbei sogar persönliche Rechnungen beglichen. Gelegentlich aufschimmernde Skrupel werden vom Sog der einmal angeworfenen Mordmaschine einfach verschluckt.

Mit dieser Einschätzung, die sich vom sicheren Hollywood aus natürlich leichter treffen lässt als unter Dauerbeschuss, zielt „München? über den Einzelfall hinaus: auf den aktuellen Terror und seine Bekämpfung, und auf den Nahost-Konflikt in seiner trostlosen Gegenwärtigkeit. Übertreiben sollte man es mit den Parallelen allerdings nicht. Während der „Schwarze September? immerhin noch verhandelbare Forderungen hatte, geht es den heutigen Terroristen, ob Al-Kaida oder der bald regierenden Hamas, kompromisslos um die Vernichtung Israels.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 22sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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Boris Dollinger 05.02.200612:00 Uhr

Sicher Spielbergs Film ist historisch ein Witz, hoch anzurechnen ist ihm allerdings dass er in diesem nicht wirklich Partei ergreift, sondern beide Seiten des Konflikts und ihre Sicht der Dinge beleuchtet. Das ihm das hauptsächlich Kritik einbringen würde war abzusehen. Die Kritik verdient München wenn dann aber für andere Dinge. Am schwersten wiegt hier sicherlich die Überlänge die den Film recht zäh werden läßt, sowie die flache Charakterzeichnung der Figuren jenseits Avners die zwar alle ihren Standpunkt darlegen dürfen, danach aber zumeist schnell ins Gras beißen. Somit ist München zwar kein schlechter Film, als Gebet für den Frieden wie Spielberg es so gerne bezeichnet wird es seine Wirkung jedoch wohl kaum erreichen.

GelangweiltvonM 02.02.200612:00 Uhr

Die größte Gurke des Jahres!!!

Andi 31.01.200612:00 Uhr

Toller Film!!

MiesePeter 29.01.200612:00 Uhr

Was Spielberg hier unter dem Deckmantel der politischen Aufklärung abgeliefert hat, ist ein saftiger Ein-Land-sieht-Rot-Film mit viel Gekröse an den Wänden und baumelnden Körperteilen vom Ventilator. Das Massaker in München hat er in vier Happen über den Film verteilt, das finale Desaster vom Flughafen gipfelt im Gegenschnitt mit der Kopulation des etwas mental angeschlagenen Avner (Eric Bana). Die Jungs um Avner machen ihr Racheding gut bis dilettantisch. Die Frauen um Avner machen Kinder oder tot. Also Exploitation-Kino, wie man es schon lange nicht mehr sah.

alex 29.01.200612:00 Uhr

super film...fast 3 stunden spannung pur

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