Zwischen übermütiger Mediensatire und überdehntem Filmstudentenulk: Amoklauf eines Tugendterroristen.

Muxmäuschenstill

Zwischen übermütiger Mediensatire und überdehntem Filmstudentenulk: Amoklauf eines Tugendterroristen.

24.11.2015

Von che

Muxmäuschenstill

Selten ging ein deutscher (Independent-)Film mit so vielen Vorschuss-Lorbeeren an den Start; sogar die Bundeszentrale für politische Bildung hat ein Begleitheft zu diesem für angeblich 40 000 Euro herunter gekurbelten Streifen heraus gebracht. Tatsächlich ist „Muxmäuschenstill?, von Regisseur Marcus Mittermeier und Hauptdarsteller Jan Henrik Stahlberg gemeinsam konzipiert, nicht nur ein ziemlich schräger Vogel von Film, sondern er strotzt vorderhand auch vor sozialer Relevanz.

Seine Hauptfigur Mux, äußerlich eine Mischung aus Junge-Union-Gauleiter und ewiger Konfirmand, hat einen uralten Traum. Er will die moralisch verlotterte Welt auf eigene Faust wieder ins Lot bringen. So zieht er mit seinem Lakaien Gerd (Fritz Roth) durch die Lande, um erst mal die Übeltäter des Alltags in flagranti zu ertappen und augenblicklich zu bestrafen. Ein sorgloser Hundebesitzer wird mit dem Kopf ins Häufchen seines Vierbeiners getunkt. Ein Freibadpinkler bekommt ein peinliches Bekennerschild um den Hals gehängt. Eine Ladendiebin muss sich in der Umkleidekabine vor ihm ausziehen. Noch bizarrer wirken die Strafaktionen, weil sie verwackelt und grieselig wie die Reality-Soap eines verschrobenen Lokalfernsehsenders daher kommen.

So witzig, übermütig und anarchisch das im Einzelnen auch ist, wird man aber schon fragen dürfen, was oder wen Stahlberg und Mittermeier eigentlich auf die Schippe nehmen wollen. Den Gerechtigkeits-Fanatiker, dessen edles Streben stets im Terror endet? Den Blockwart (in uns), der lustvoll die Erniedrigung seiner Mitmenschen zelebriert? Geht es gegen die Medien, die jeden Hanswurst zum Superstar aufblasen, oder verherrlicht der Film klammheimlich den hemdsärmeligen Tatmenschen, der den Saustall mal gründlich ausmistet? Macht er sich über moralinsaure Ruck-Redner lustig oder agitiert er, wie ein Kritiker vermutet, im Sinne Horst Köhlers gegen ein in „geistiger Starre? und „emotionalem Phlegma? verharrendes Land?

Man kann diesen Wust sich aufdrängender Fragen dem Film als Komplexität gutschreiben. Man kann aber auch zu dem Schluss kommen, das die beiden Macher im Überschaum ihrer skurrilen Ideen keinen klaren Gedanken mehr fassen konnten.

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Erstellt:
24.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 00sec
zuletzt aktualisiert: 24.11.2015, 12:00 Uhr

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Jan Knaak 20.07.200412:00 Uhr

Ein wirklich ungewöhnlicher Film. Eine Perspektive für einen eigenständige Alternative zu den Mainstream-Kopien a la Lautlos.

Biggi 14.07.200412:00 Uhr

Der richtige Film zur richtigen Zeit. Witzige und auf den Punkt gebrachte Kritik an unserer "Mediengesellschaft". Kann man gar nicht besser machen!

Sebastian Selig 13.07.200412:00 Uhr

Spielt in der gleichen Liga wie MANN BEISST HUND und SERIES 7 - und zwar im Sturm. Bitte davon mehr.

Georg 12.07.200412:00 Uhr

Genialer kann ein Film nicht sein!

H. Jost 03.05.200412:00 Uhr

Wunderbarer Film. So ist das Leben.
Hervorragend Mux und Gerd.
Kleines Budget. Riesen Leistung

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