Unergründliche 13-Jährige in rasanten Clashs zwischen Virtualität und Intimität.

57000 km entre nous

Unergründliche 13-Jährige in rasanten Clashs zwischen Virtualität und Intimität.

23.11.2015

Von Dorothee Hermann

57000 km entre nous

Was sucht das Kino im digitalen Schutt der Webcams und Internetforen? Regisseurin Delphine Kreuter agiert wie ein begnadeter Clown, der in den trashigen Bilderfluten prompt eine Prinzessin findet. Die vielversprechende Nat (Marie Burgun), ungefähr 13, balanciert ihrerseits virtuos zwischen mindestens drei Identitäten. Ein oder zwei in der Realität, nochmal ungefähr drei im Internet. Von der Leinwand rücken sie an den Betrachter heran ? wie Nats Webcam in ihr Zimmer.

Nun ja, für Kids mit Fantasie bieten die neuen Bildwelten eben eine Art potenzierter Pubertät. Und Nat ist ein Typ, in dem jeder Spätviktorianer auf Anhieb die künftige Herzensbrecherin erkannt hätte. Ihre Eltern sind medial eher unterbelichtet. Der Stiefvater will den Alltag der Familie am liebsten eins zu eins ins Netz stellen. Die Mutter Margot (Florence Thomassin) könnte als schwache Antwort Frankreichs auf Cate Blanchett durchgehen.

Glücklicherweise gibt es in Nats Umfeld noch andere Erwachsene, die die eigene (sexuelle) Identität viel radikaler infragestellen. Vielleicht konnte nur eine erfahrene Fotografin wie Kreuter das flüchtige Glitzern der virtuellen Bilder stillstellen und ihnen mit einem Klick Intimität, Kontur, Schatten verleihen ? die Tiefendimensionen der (digitalen) Kunst. Dieses verrückte artifizielle Märchen dürfte ein heißer Sieg-Kandidat im Filmtage-Wettbewerb sein.

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Erstellt:
23.11.2015, 12:00 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 38sec
zuletzt aktualisiert: 23.11.2015, 12:00 Uhr

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