Geschichte

Als die Demokratie entstand

Ausstellung, Theater, Konzert und Vorträge in Sulz widmen sich vom 9. bis 15. November der Erinnerung an die Novemberrevolution von 1918.

04.10.2018

Von Cristina Priotto

Unter dem Titel „Druck gegen Rechtsruck“ gestalten 18 Studenten der Akademien der Bildenden Kunst aus Stuttgart und München am 9. November eine Ausstellung mit Bildern, Installationen, Fotos, Performances und Videokunst im Foyer der Sulzer Stadthalle. Initiiert hat das Projekt Klaus Schätzle (links), beteiligt sind aus Stuttgart unter anderem Ivan Zozulya und Alessia Schuth. Bild: Priotto

Unter dem Titel „Druck gegen Rechtsruck“ gestalten 18 Studenten der Akademien der Bildenden Kunst aus Stuttgart und München am 9. November eine Ausstellung mit Bildern, Installationen, Fotos, Performances und Videokunst im Foyer der Sulzer Stadthalle. Initiiert hat das Projekt Klaus Schätzle (links), beteiligt sind aus Stuttgart unter anderem Ivan Zozulya und Alessia Schuth. Bild: Priotto

Mauerfall, Beginn der Novemberpogrome, Hitler-Ludendorff-Putsch und die Novemberrevolution: Der 9. November gilt wegen der Häufung folgenreicher Ereignisse als Schicksalstag der deutschen Geschichte. Die SPD und weitere Organisationen der Arbeiterbewegung im Landkreis Rottweil veranstalten aus Anlass von 100 Jahren Novemberrevolution zur Geburtsstunde der Demokratie vom 9. bis 15. November eine Woche der Erinnerung.

Kernstück wird eine Ausstellung zum Thema „Druck gegen Rechtsruck“, die auf Vermittlung von Norbert Stockhus mit jeweils neun Studenten der Kunstakademien Stuttgart und München zu Stande kam. Ivan Zozulya und Alessia Schuth, zwei der 18 beteiligten Kunststudenten, stellten am Dienstag mit Lokalhistoriker Klaus Schätzle den Hintergrund und das Programm vor.

Schätzle hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit den Anfängen der Räterevolution im Kreis Rottweil befasst. „Wir wollen herausfinden, was hier auf dem Land 1918 passiert ist und wer die Träger des demokratischen Umsturzes waren“, erklärte der pensionierte Geschichtslehrer des Albeck-Gymnasiums. Für den Kreis Rottweil sei dies bislang noch nie untersucht worden – was wenig verwundert, denn die Recherche gestaltet sich aufgrund nur sehr spärlich vorhandenen Dokumenten extrem schwierig. „Man muss sich alles aus Informationsfetzen, Protokollen des Oberamts und Zeitungsschnipseln zusammenreimen“, beschreibt der Historiker die mühselige Suche.

„Dieser Teil unserer Geschichte wurde völlig verschwiegen und taucht in Geschichtsbüchern kaum auf“, weiß der frühere Geschichtslehrer. Klaus Schätzle hat jedoch ein Foto zu Tage befördert, das einen Arbeiterrat in Wittershausen unter dem Vorsitz von Albert Schäfenacker zeigt.

Um eher trockene historische Fakten anlässlich des Geburtstags der Demokratie auf anschauliche Weise der Öffentlichkeit zu präsentieren, lag der Gedanke an eine Kunstausstellung nahe, wie schon vor einigen Jahren zum Gedenken an die 1848er-Revolution. In der Klasse von Cordula Güdemann, Professorin an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart, die auch die Münchner Kunststudenten miteinbezog, fanden die Sulzer Initiatoren die idealen Kooperationspartner.

Ivan Zozulya, einer der Studenten, erzählte beim Pressetermin, „dass wir uns gefragt haben, wie man als Kunstschaffender etwas zur aktuellen politischen Situation machen kann“. Alessia Schuth formuliert die zentrale poltisch-gesellschaftliche Frage, die auch die jungen Leute an der Akademie beschäftigt: „Wie kann es passieren, dass Populismus die Mitte der Gesellschaft erreicht?“.

Den Nachwuchskünstlern ist es wichtig, mit ihren Mitteln auf die Wichtigkeit der Demokratie hinzuweisen. Bewusst präsentieren die Studenten einzeln oder als Gemeinschaftswerke Installationen, Fotos, Malerei, Videokunst und Performance auch außerhalb der typischen Kunstinstitutionen mit weltoffenem Publikum. Wie eine solche künstlerische Reflexion aussehen kann, erklärt Schuth, die ein herrenloses Fischernetz mit kleinen Figuren aus Plastik bestückt hat, um so der Frage nachzugehen, ob und wann sich bei der Flucht übers Meer auch Menschen(teile) in Netzen verfangen.

Die Ausstellung mit dem Titel „Druck gegen Rechtsruck“ bildet mit einem Vortrag von Klaus Schätzle über „Die widerwillige Revolution: Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte im Kreis Rottweil 1918 bis 1920“ den Auftakt zu einer kreisweiten Reihe mit weiteren Veranstaltungen zur Räte-
revolution auch in Oberndorf, Deißlingen, Rottweil, Schramberg sowie in Tuttlingen, Donaueschingen und Trossingen.

Dazu gehören auch ein Theaterabend mit der „Berliner Compagnie“ im Rahmen des „Symposions Religion und Politik“ des Berneuchener Hauses Kloster Kirchberg, ein Konzert mit Pius Jauch und der sechste Vortrag in der VHS-Reihe über den Vater des Malers Gustav Bauernfeind.

Das Projekt mit überregionaler Ausstrahlungskraft kann auf eine breite Unterstützerbasis setzen: SPD-Kreisverband Rottweil, OEW, Naturfreunde, DGB, Stadt Sulz, Kreissparkassenstiftung Rottweil, Awo, VHS Rottweil, Kultur- und Heimatverein Sulz, Landratsamt Rottweil, Gustav-Bauernfeind-Museum und Berneuchener Haus Kloster Kirchberg beteiligen sich finanziell.

100 Jahre Demokratie: Kunst, Vorträge, Theater, Musik

Die Ausstellung „Druck gegen Rechtsruck“ von Kunststudenten aus Stuttgart und München wird am Freitag, 9. November, um 19 Uhr im Foyer der Stadthalle eröffnet. Dazu erscheint ein Katalog.

Klaus Schätzle hält danach einen Vortrag mit dem Titel „Die widerwillige Revolution: Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte im Kreis Rottweil 1918 bis 1920“.

Beim Theaterabend zeigt die „Berliner Compagnie“ am Samstag, 10. November, um 20 Uhr in der Stadthalle das Stück „Das Bild vom Feind. Wie Kriege entstehen“. Karten gibt es im Vorverkauf beim Empfang und im Klosterladen des Klosters Kirchberg, bei der „Blass-Erlebniswelt“, bei der „Buchlese“ am Marktplatz in Sulz und bei der Buchhandlung Rieger in Balingen.

Ein Liederabend mit Pius Jauch findet am Mittwoch, 14. November, um 20 Uhr in der Stadthalle statt.

Richard Weinzierl hält am Donnerstag, 15. November, um 19.30 Uhr im Foyer der Stadthalle im Rahmen der Volkshochschul-Kunstgeschichtsreihe über Bauernfeind einen Vortrag über „Johann Baptist Bauernfeind und die Revolution von 1848/49“.

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Erstellt:
04.10.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 18sec
zuletzt aktualisiert: 04.10.2018, 01:00 Uhr

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