Schiene

Boris Palmer möchte Gäubahn nach Horb über Tübingen umleiten

Tübingens Oberbürgermeister schlägt eine Alternative zur Abkopplung der Gäubahn vom Stuttgarter Hauptbahnhof ab 2025 vor. Im Zentrum des Vorschlags steht Horb.

17.03.2022

Von NC

Verkehren die Triebwagen im beschaulichen Neckartal demnächst zusammen mit Fernzügen? Archivbild: Karl-Heinz Kuball

Verkehren die Triebwagen im beschaulichen Neckartal demnächst zusammen mit Fernzügen? Archivbild: Karl-Heinz Kuball

Boris Palmer (Grüne), Oberbürgermeister von Tübingen, und der Landrat des Landkreises Tübingen, Joachim Walter (CDU) wenden sich in einem offenen Brief an Horbs einstigen Oberbürgermeister Michael Theurer (FDP), jetzt Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium.

Dieser, so schreiben Palmer und Walter, kenne die langwierigen Bemühungen um den Ausbau der Gäubahn als Verbindung zwischen Stuttgart und Zürich bestens. „Wir sind uns sicher einig, dass es schwer zu ertragen ist, dass auf dieser Strecke immer noch eingleisige Abschnitte bestehen, weil das andere Gleis als Reparationsleistung abgebaut und nie mehr ersetzt wurde.“

Gäubahn ohne Anschluss

Anstelle der lang ersehnten Verbesserungen drohe der Gäubahn jedoch Mitte des Jahrzehnts sogar eine gravierende Verschlechterung, befürchten die beiden Tübinger Politiker: Wenn 2025 der unterirdische Stuttgarter Hauptbahnhof als Durchgangsbahnhof in Betrieb gehe, sei die Gäubahn davon abgekoppelt. Die Panoramastrecke am Rand des Stuttgarter Talkessels habe nämlich keine Zufahrt zum neuen Hauptbahnhof. Die als Ersatz gedachte Streckenführung über den Flughafen stocke in der Planung. Es sei nicht absehbar, wann Züge aus Zürich über den Flughafen nach Stuttgart fahren können, befinden Palmer und Walter. Die sogenannte große Tunnellösung bedeute eine Bauzeit bis Mitte der 2030er-Jahre. „Damit entfiele die seit 1879 bestehende direkte Bahnverbindung von Stuttgart in die Schweiz für ein ganzes Jahrzehnt.“

Die bislang vorgeschlagenen Übergangslösungen bezeichnen Palmer und Walter als „nicht attraktiv“: In Stuttgart-Vaihingen oder am Stuttgarter Nordbahnhof auf die S-Bahn umsteigen zu müssen, sei für die Verbindung von Stuttgart an den Bodensee und in die Schweiz nicht angemessen. „Die Züge der Gäubahn müssen von Beginn an in den Tiefbahnhof einfahren können“, fordern die beiden Politiker. Dies könne in den verbleibenden vier Jahren, bis die Gäubahn vom Stuttgart Hauptbahnhof vorübergehend abgekoppelt werde, durch einen „Alternative mit geringem Ausbaubedarf“ erreicht werden: Die Führung der Verbindung Stuttgart–Horb–Zürich nicht mehr über Böblingen und Herrenberg, sondern über Tübingen.

Züge benötigen für die Strecke von Stuttgart nach Tübingen inklusive eines Halts am Stuttgarter Flughafen 40 Minuten, so die Prognose. Die 31 Kilometer zwischen Tübingen und Horb, die sogenannte Kulturbahn, sind allerdings nicht elektrifiziert. Ein solcher Ausbau sei bereits für machbar befunden und seine Kosten nach heutigem Stand der Vorplanung auf etwa 150 Millionen Euro taxiert – inklusive neuer Bahnsteige und zweigleisiger Abschnitte.

Der neue Stuttgarter Hauptbahnhof wird keine Diesel-Fahrzeuge erlauben; die Diesel-Triebzüge von Horb über Tübingen nach Stuttgart können also mittelfristig nicht mehr verkehren; die Strecke müsse ohnehin elektrifiziert werden, führen Palmer und Walter aus. Sie sind sicher: „Die vorliegenden Planungen zur Elektrifizierung der Oberen Neckarbahn lassen sich in vier Jahren umsetzen, so dass die Alternativstrecke ab Horb in den Tiefbahnhof mit Betriebsbeginn von S21 zur Verfügung stünde.“ Allerdings müssten die entsprechenden politischen Beschlüsse sehr schnell herbeigeführt werden, fügen sie subtil an.

Fahrzeit kaum länger

Als Vorteile gegenüber den Varianten mit Umstieg in Stuttgart-Vaihingen oder am Stuttgarter Nordbahnhof nennen die Tübinger Politiker die weiter bestehende Anbindung der Gäubahn an den Stuttgarter Hauptbahnhof, wobei der Halt am Flughafen und damit Anschlüsse nach Ulm und München bereits 2025 möglich werden. Zwar sei die Fahrzeit ab Horb über Tübingen etwa 15 Minuten länger, doch entfalle der Umstieg, was dieses Manko ausgleiche und insbesondere Reisenden mit Gepäck mehr Komfort biete. Außerdem biete Tübingen besonders für Touristen aus der Schweiz und Fahrten in die Schweiz ein vielfach größeres Verkehrspotenzial als das von Böblingen/Sindelfingen. Um diese Industriestandorte nicht abzuhängen, könnten laut Palmer/Walter „alternierend zur IC-Verbindung über Tübingen weiterhin Fahrten von Horb über Herrenberg und Böblingen bis Vaihingen angeboten werden“.

Die Tübinger Politiker schlagen Michael Theurer vor, er möge zu einer Konferenz über die Gäubahnanbindung einladen, um Fragen von Planung, Bau und Finanzierung für eine vorgezogene Elektrifizierung der Oberen Neckarbahn zu diskutieren. Sie betonen: „Für uns ist dabei völlig klar, dass die Umleitung der IC-Züge nur eine Interimslösung sein soll, bis die schnellere Verbindung über Böblingen zum Tiefbahnhof realisiert ist.“ Zunächst aber stehe das Ziel im Vordergrund, die Fahrt zwischen Stuttgart und Zürich mit durchgängigen Fernzügen ohne Unterbrechung zu sichern.

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Erstellt:
17.03.2022, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec
zuletzt aktualisiert: 17.03.2022, 01:00 Uhr

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