Utoya 22. Juli

Utoya 22. Juli

Spielfilm um den 72 Minuten andauernden Terror-Anschlag auf das Jugend-Sommercamp auf der norwegischen Insel Utøya am 22. Juli 2011.

17.09.2018

Von Madeleine Wegner

Utoya
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Du wirst es sowieso nicht verstehen. Höre mir einfach zu“, sagt Kaja wie an den Zuschauer gewandt. Es wirkt so, als würde sie einen Kommentar über das, was gleich geschehen wird, vorwegnehmen – eine unbeteiligte, allwissende Erzählerin. Doch die 18-Jährige ist mittendrin. Sie ahnt davon nichts, als sie im Telefonat mit ihrer Mutter hinzufügt: „Das hier ist der sicherste Ort auf der Welt.“

Kaja ist auf der kleinen norwegischen Insel Utøya, die 40 Kilometer nordwestlich von Oslo in einem Fjord liegt. Hier verbringt sie zusammen mit anderen Jugendlichen ein paar Sommertage im Ferienlager Jugendorganisation der sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Sie reden darüber, dass im Regierungsviertel in Oslo eine Bombe explodiert ist. Was sie nicht ahnen können: Der norwegische Rechtsextremist ist bereits auf dem Weg nach Utøya.

Der Spielfilm „Utøya 22. Juli“ ist laut Regisseur Erik Poppe aus seiner großen Wut heraus entstanden. Im Vorfeld habe er, so sagte er damals bei der Premiere auf der Berlinale, mit vielen Überlebenden gesprochen, drei der jungen Menschen hätten den Film als ständiges Korrektiv begleitet. Ingrid Marie Vaag Endrerud ist eine von ihnen. Sie sei dankbar, dass jemand die Geschichte erzählt, die sie selbst nicht erzählen könne. Auch der Überlebende Ole Martin Juul Slyngstadli sagte damals im Interview: „In den Jahren danach ging es immer nur um den Täter, um seinen Prozess, seine Haftbedingungen. Im Zentrum der Aufarbeitung sollten aber diejenigen stehen, die an dem Tag da draußen waren.“

Souverän, eigensinnig und mutig hat die Protagonistin das Format einer Heldin. Kaja (hervorragend gespielt von Andrea Berntzen) will Politikerin werden, im Parlament Entscheidungen treffen. Doch auch sie kann nichts ausrichten gegen den Terror, gegen die nicht enden wollenden Schüsse. Auch sie kann nur versuchen, sich in Sicherheit zu bringen, wo es keine Sicherheit gibt. Dieses Gefühl fängt die Kamera auf besondere Weise ein: Der Film wurde in Echtzeit in einer einzigen Einstellung gedreht, auf der Flucht vor den Schüssen nimmt die Kamera (Martin Otterbeck) immer wieder eine subjektive Perspektive ein: drückt sich Schutz suchend gegen Felsen oder duckt sich im Unterholz. Diesem Film Voyeurismus vorzuwerfen, wie es einige Kritiker tun, ist absurd. Wie sonst sollte so ein Film aussehen? Könnte eine Dokumentation eine so eindringliche Kraft entwickeln? Kaum eine andere Art, die Kamera einzusetzen, würde einen ähnlichen Effekt erzielt, wie es Poppes Film schafft: „Utøya 22. Juli“ ist realer Horror und vor allem ist er Warnung.

Macht deutlich, wie lang 72 Minuten sein können, und raubt dabei in erschütternder Intensität den Atem.

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Erstellt:
17.09.2018, 18:59 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 20sec
zuletzt aktualisiert: 17.09.2018, 18:59 Uhr

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