Rottenburger Südtangente

Tödlicher Unfall: Viele gehen dort über die Straße

Viele Fußgänger überqueren die Rottenburger Südtangente genau an der Stelle, an der beim Neckarfest zwei Brüder tödlich verunglückten.

04.07.2019

Von Michael Hahn

Die Unfallmarkierungen sind noch gut zu sehen. Beim Versuch, die Südtangente zu überqueren, haben hier zwei Brüder in der Nacht zum Sonntag das Leben verloren. Links hinter dem Lärmschutzwall ist das Wohngebiet Dätzweg, rechts geht es zum Hundesportverein und weiter zum Martinsberg und zum Rammert. Bild: Michael Hahn

Die Unfallmarkierungen sind noch gut zu sehen. Beim Versuch, die Südtangente zu überqueren, haben hier zwei Brüder in der Nacht zum Sonntag das Leben verloren. Links hinter dem Lärmschutzwall ist das Wohngebiet Dätzweg, rechts geht es zum Hundesportverein und weiter zum Martinsberg und zum Rammert. Bild: Michael Hahn

An der frisch gemähten Böschung erinnerten gestern zwei Joghurtbecher mit frischen Blumen an das, was am späten Samstagabend auf der Südtangente passiert ist. Während unten in der Stadt noch das Neckarfest pulsierte, versuchten zwei Brüder, 59 und 62 Jahre alt, die Fahrbahn zu überqueren. In der Dunkelheit wurden sie frontal von einem Auto erfasst. Der 59-Jährige starb noch an der Unfallstelle, sein Bruder kurz darauf im Krankenhaus.

An dieser Stelle ist kein offizieller Überweg. Aber ein gut ausgetretener Trampelpfad zeigt, dass die Stelle rege genutzt wird. Der Pfad ist sozusagen die Verlängerung des Bayardwegs im Dätzweg. Auf der anderen Seite geht es dann hinüber zum Hundesportverein und weiter Richtung Martinsberg und Rammert: eine beliebte Spazierstrecke. Mehrere Anwohner bestätigten dem TAGBLATT, dass viele Ortskundige diese Querung benutzen, bei Tag und Nacht – „obwohl es sau-gefährlich ist“, wie eine Anwohnerin sagte.

Meist „Tempo 70“

Die Südtangente verläuft in diesem Bereich bolzengerade. Die Stelle ist eigentlich gut einsehbar – aber wenn jemand allzu schnell, und erst recht im Dunkeln, den Trampelpfad hinunter kommt, dann können Autofahrer kaum noch reagieren. Auf dem größten Teil der Strecke gilt „Tempo 70“, doch der schnurgerade Verlauf verführt auch zum Beschleunigen.

Auf einem symbolischen grünen Teppich überquerte die Landesgartenschau-Kommission im April 2018 die Südtangente, auf dem Weg von der Innenstadt hinaus zum Schadenweiler. Archivbild: Ulrich Eisele

Auf einem symbolischen grünen Teppich überquerte die Landesgartenschau-Kommission im April 2018 die Südtangente, auf dem Weg von der Innenstadt hinaus zum Schadenweiler. Archivbild: Ulrich Eisele

Bevor die Südtangente und der Lärmschutzwall gebaut wurden, verlief hier eine direkte Querverbindung von der Innenstadt hinaus zum Rammert. Im Bebauungsplan „Dätzweg“ aus dem Jahr 1998 ist genau dort eine Fußgängerbrücke eingezeichnet, als direkte Verlängerung des Bayardwegs (siehe Ausschnitt unten). Ein Anwohner sagte dem TAGBLATT, er habe seinerzeit sogar für die Brücke „mitgezahlt“, als Teil der Erschließungskosten. Aber die Brücke wurde nie gebaut. Der Bayardweg ist jetzt eine Sackgasse.

„Eine Brücke war damals angedacht“, bestätigte gestern die städtische Pressesprecherin Birgit Reinke. „Deswegen hat der Bebauungsplan an dieser Stelle die Möglichkeit dafür geschaffen. Aber es gab nie einen entsprechenden Baubeschluss im Gemeinderat.“

Der inoffizielle Trampelpfad kreuzte zunächst ein paar Meter weiter östlich den Lärmschutzwall. Dann stellte die Stadt dort einen kurzen Holzzaun auf – und der Trampelpfad verschob sich um ein paar Meter nach Westen.

Idee für Landesgartenschau

Als sich die Stadt Rottenburg vor einem Jahr (vergeblich) um die Ausrichtung einer Landesgartenschau bewarb, lebte die Idee einer Fußgängerbrücke genau an dieser Stelle wieder auf – in der offiziellen Bewerbungsbroschüre. Und als die Stadtverwaltung die Bewerbungskommission durch Rottenburg führte, ließ sie die Südtangente kurz sperren und legte einen symbolischen grünen Teppich über die Fahrbahn.

In der Broschüre hieß es: „Die Rottenburger Forsthochschule im Schadenweiler Hof (...) soll durch die Landesgartenschau stärker an die Innenstadt angebunden werden. Der Weg vom Campus ins Zentrum und zurück führt Fußgänger, Fahrradfahrer und Elektro-Shuttle durch Streuobstwiesen und Felder und bietet Picknick-Plätze und interessante Haltepunkte. Eine Fußgänger- und Fahrradbrücke erleichtert die Überquerung der Landesstraße.“

Im Bebauungsplan „Dätzweg“ von 1998 ist noch eine Fußgängerbrücke (in orange) über die Südtangente (L385, waagrecht) eingezeichnet – als Verlängerung des Bayardwegs (von schräg oben her).

Im Bebauungsplan „Dätzweg“ von 1998 ist noch eine Fußgängerbrücke (in orange) über die Südtangente (L 385, waagrecht) eingezeichnet – als Verlängerung des Bayardwegs (von schräg oben her).

Tunnel 400 Meter weiter oben

Ohne Landesgartenschau sei eine solche Brücke aber nicht mehr nötig, sagte der Rottenburger Finanzbürgermeister Hendrik Bednarz gestern auf Nachfrage. Wer vom Dätzweg oder vom Kreuzerfeld hinüber zum Rammert gehen oder radeln will, sollte dafür rund 400 Meter weiter oben (auf Höhe der Schadenweiler Straße) die Unterführung unter der Südtangente benutzen . Bednarz: „Das reicht, Stand heute.“

Erst wenn „in einigen Jahren“ das ehemalige DHL-Gelände besiedelt werde, könnte etwas weiter unten an der Südtangente neuer Handlungsbedarf entstehen. „Dann sollten wir uns nochmal anschauen“, sagte Bednarz, ob dort eine weitere Fußgänger-Querung sinnvoll wird. Da die Südtangente eine Landesstraße ist, hätten dabei auch das Regierungspräsidium und das Landratsamt mitzureden. Die nächste Querungs-Möglichkeit besteht dann erst bei der Ampel ganz am unteren Ende der Südtangente (Abzweigung zur Tübinger Straße).

RP: Die Südtangente ist kein Unfall-Schwerpunkt

Auf der Rottenburger Südtangente (L 385) passieren immer wieder Verkehrsunfälle – oft nur mit Blechschaden, aber manchmal auch mit Schwerverletzten oder gar Toten. Bis hinauf zur Ortseinfahrt Weiler erinnern mehrere private Mahnmale und Kreuze an solche Unfälle.

Auch Rottenburgs Finanzbürgermeister Hendrik Bednarz konnte gestern am Telefon gleich mehrere schwerste Unfälle aufzählen. Allerdings waren die Umstände jeweils sehr unterschiedlich. Deswegen dränge sich auf den ersten Blick keine einzelne

konkrete Maßnahme auf, um die Gefahren auf der Südtangente zu entschärfen.

Bei der Straßenbauverwaltung des Tübinger Regierungspräsidiums (RP) ist die Südtangente „nicht als besondere Unfall-Häufungsstelle eingeordnet“, sagte RP-Pressesprecher Dirk Abel gestern auf Nachfrage. Das RP führt eine eigene Statistik, in der auch die Schwere der Unfälle erfasst ist. Wenn die Polizei, die Stadt Rottenburg oder das Landratsamt bei einem bestimmten Straßenabschnitt Probleme sehen, dann könne man in der gemeinsamen Unfallkommission mögliche Maßnahmen besprechen, sagte Abel. Da die Südtangente eine Landesstraße ist, müsste das Land etwaige Umbauten bezahlen. Je nach Art der Baumaßnahme müssten sich aber auch der Landkreis oder die Stadt beteiligen.

Christopher Dekrell, der Leiter der Abteilung „Verkehr und Straßen“ im Tübinger Landratsamt, konnte gestern auf Anhieb nichts über die Unfallgefahr auf der Südtangente sagen. „Wir werden das prüfen“, ließ er mitteilen.

Die Polizeidirektion Reutlingen prüft derzeit auf TAGBLATT-Anfrage, wie viele Unfälle (und wie viele schwere) es in den vergangenen 10 Jahren auf der L 385 gegeben hat.

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Erstellt:
04.07.2019, 01:30 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 36sec
zuletzt aktualisiert: 04.07.2019, 01:30 Uhr

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